Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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INGO MATERNA<br />
Berl<strong>in</strong> – das Zentrum der deutschen Revolution <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong><br />
Am Ende des 19. Jahrhunderts war Berl<strong>in</strong>, die Millionenstadt, längst mit ihrem<br />
Umland zusammengewachsen, wurde aber bekanntlich erst 1920 zu Groß-Berl<strong>in</strong><br />
zusammengefasst. 1 Unbestritten war Berl<strong>in</strong> das politisches Zentrum Preußens und<br />
<strong>Deutschland</strong>s, größtes Industriezentrum, zugleich größte Handwerker- und Handelsstadt,<br />
F<strong>in</strong>anzzentrum, Verkehrsmittelpunkt; weltweit bekannt waren se<strong>in</strong>e<br />
Wissenschafts- und Kultur<strong>in</strong>stitutionen; es war auch riesige Garnisonsstadt – Kasernopolis<br />
mit jeder Menge Rüstungsfabriken, mit Bischofssitz und es war Medienmittelpunkt.<br />
Vernachlässigt, bewusst vergessen oder übersehen wird jedoch<br />
meistens, dass Berl<strong>in</strong> das Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung war, – das haben<br />
wir den allgeme<strong>in</strong> zugestandenen Attributen h<strong>in</strong>zuzusetzen und unterstreichen<br />
es <strong>in</strong> unserem heutigen Zusammenhang. Schon 1905 hatten sich die 6 Berl<strong>in</strong>er<br />
Reichstagswahlkreis-Vere<strong>in</strong>e der SPD mit den umgebenden Kreisen Teltow-<br />
Beeskow-Storkow-Charlottenburg und Niederbarnim zum „Verband der Wahlvere<strong>in</strong>e<br />
Groß-Berl<strong>in</strong>s und Umgegend“, e<strong>in</strong>e über das spätere Groß-Berl<strong>in</strong> weit <strong>in</strong> die<br />
brandenburgische Prov<strong>in</strong>z greifende Organisation, zusammengeschlossen; sie<br />
zählte 1914 über 120.000 Mitglieder, die bei den Reichstagswahlen 1912 sieben<br />
der acht Wahlkreise gew<strong>in</strong>nen konnte. 45 der Berl<strong>in</strong>er Stadtverordneten waren<br />
1913 Sozialdemokraten und von den 10 preußischen SPD-Landtagsabgeordneten<br />
kamen 7 aus Berl<strong>in</strong>. Von etwa 560.000 organisationsfähigen Berufstätigen gehörten<br />
über 300.000 den sozialistischen Gewerkschaften an. 2 Gerade diese sozialdemokratische<br />
Dom<strong>in</strong>anz <strong>in</strong> der Haltung der Berl<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>wohnerschaft verstärkte<br />
die ohneh<strong>in</strong> traditionelle Abneigung bedeutender deutscher Bevölkerungsschichten<br />
und e<strong>in</strong>iger Kle<strong>in</strong>staaten gegen die preußische Hauptstadt; die fortbestehende<br />
staatliche Eigenständigkeit besonders der süddeutschen Bundesstaaten, der weiterh<strong>in</strong><br />
auch verfassungsrechtlich gestützte Partikularismus, widerspiegelten sich<br />
<strong>in</strong> der Ablehnung Berl<strong>in</strong>s, dieses „Molochs“.<br />
Das hier nur skizzierte Bild der Hauptstadt gewann mit Ausbruch und im Verlauf<br />
des Ersten Weltkrieges schärfere Konturen, Tendenzen verstärkten sich zu<br />
Dom<strong>in</strong>anzen. Als neuer Typ entstand <strong>in</strong> der Me<strong>in</strong>ung vieler e<strong>in</strong>facher Menschen<br />
der „Raffke“, der Kriegstreiber und Kriegsgew<strong>in</strong>nler, dem der Kriegsprofit über<br />
alles g<strong>in</strong>g und der e<strong>in</strong> Schlemmerdase<strong>in</strong> führte, das der verarmten hungernden Bevölkerung<br />
Klassengegensätze emotional erlebbar machte. Und wie selbstver-<br />
1 Siehe allgeme<strong>in</strong>: Geschichte Berl<strong>in</strong>s, hrsg. von Wolfgang Ribbe. Forschungen der Historischen Kommission<br />
zu Berl<strong>in</strong>, 2 Bde., Berl<strong>in</strong> 2002, hier Bd. 2.<br />
2 Siehe immer noch am ausführlichsten im Detail: Geschichte der revolutionären Berl<strong>in</strong>er Arbeiterbewegung,<br />
hrsg. von der Bezirksleitung der SED, Kommission zur Erforschung der örtlichen Arbeiterbewegung. Bd. 1.<br />
Von den Anfängen bis 1917, Berl<strong>in</strong> 1987.<br />
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