Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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des Politischen Rats geistiger Arbeiter sieht man den Ansatz, der kurze Zeit später<br />
vom Aktivismus zum Pazifismus h<strong>in</strong>überleitete: „Leitstern aller künftigen Politik<br />
muß die Unantastbarkeit des Lebens se<strong>in</strong>.“ Als Doppelaufgabe des Rates ersche<strong>in</strong>t:<br />
Der Kampf „vor allem gegen die Knechtung der Gesamtheit des Volkes<br />
durch den Kriegsdienst und gegen die Unterdrückung der Arbeiter durch das kapitalistische<br />
System.“ 26 Dass der Pazifismus, <strong>in</strong> den Hiller se<strong>in</strong>e Energien seit<br />
1920 immer stärker <strong>in</strong>vestierte, den Klassenkampf nicht ausschloss, sondern ausdrücklich<br />
legitimieren sollte, erweist se<strong>in</strong>e Rede „L<strong>in</strong>kspazifismus“ (1920). <strong>Die</strong>ser<br />
sei e<strong>in</strong>e „kämpferische Bewegung für e<strong>in</strong>e Idee. … Nicht für die Idee, daß auf<br />
Erden zwischen Menschen und Menschengruppen Kämpfe aufhören, sondern für<br />
die Idee, daß auf Erden Kriege aufhören.“ 27 Den Begriff „L<strong>in</strong>kspazifismus“ wird<br />
se<strong>in</strong> Schöpfer präzisierend dere<strong>in</strong>st durch „Revolutionärer Pazifismus“ ersetzen. 28<br />
Von Ludwig Rub<strong>in</strong>er kl<strong>in</strong>gt wie e<strong>in</strong>e ferne Fanfare über e<strong>in</strong> knappes Jahrhundert<br />
h<strong>in</strong>weg e<strong>in</strong>e Parole <strong>in</strong> das unsrige, die er e<strong>in</strong>em se<strong>in</strong>er Essays zur Überschrift<br />
gab: „Der Dichter greift <strong>in</strong> die Politik“ 29 . Se<strong>in</strong> Essay von 1912 gehört unverkennbar<br />
<strong>in</strong> die Reihe der Bemühungen fortschrittlicher Literaten um die Politisierung<br />
der Literatur. <strong>Die</strong>se bahnte sich am Beg<strong>in</strong>n des zweiten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts<br />
an, steigerte sich während des 1. Weltkriegs rasant und wurde <strong>in</strong> der Weimarzeit<br />
z. B. im proletarischen Realismus fortgeführt. Gleich anderen bürgerlichen<br />
Intellektuellen g<strong>in</strong>g Rub<strong>in</strong>er vom „Primat des Ideellen“ aus. Deshalb lehnte<br />
er ab: Materie, Materialismus, Marxismus, den Entwicklungsbegriff und e<strong>in</strong>iges<br />
andere, was aus dem ideologischen Fundament der Arbeiterbewegung nicht weggedacht<br />
werden kann. E<strong>in</strong>e Folge der Absolutsetzung des Ideellen oder des Geistes<br />
<strong>in</strong> den früheren Phasen der Gedankenentwicklung Rub<strong>in</strong>ers ist, dass er die<br />
zwei Komponenten des vollständigen Revolutionsbegriffs unausgewogen akzentuiert,<br />
die materielle Revolution – welche undenkbar ist ohne die Aktivität der<br />
Massen – anfänglich ger<strong>in</strong>ger gewichtend als die Revolution des Geistes (die<br />
ideelle). Dann e<strong>in</strong> Umsturz <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gedankenwelt als Folge der Oktoberrevolu-<br />
26 Hiller, Ratioaktiv, S. 19.<br />
27 Hiller, Ratioaktiv, S. 27.<br />
28 Auch Hiller entwarf se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>dividuelle Lehre, zu deren Kern gehört, was im 19. Jahrhundert als „Aristokratie<br />
des Geistes“ diskutiert wurde; bei Hiller steht dafür der Term<strong>in</strong>us „Logokratie“. <strong>Die</strong>s Gedankenelement wurde<br />
allerd<strong>in</strong>gs von Autoren unter se<strong>in</strong>en Zeitgenossen heftig oder mit Ironie angefochten; selbst von se<strong>in</strong>en engsten<br />
Kampfgefährten (z. B. Toller, wie Anm. 1, S. 231). Polemik gegen den Politischen Rat geistiger Arbeiter:<br />
Erich Mühsam (wie Anm. 2, S. 340); eher gel<strong>in</strong>d-ironische Kritik kam von Siegfried Jacobsohn, siehe<br />
Ruth Greuner: Siegfried Jacobsohn. Rebellion und Resignation l<strong>in</strong>ksbürgerlicher „Kopfarbeiter“, <strong>in</strong>: Helmut<br />
Bock u. a., wie Anm. 14, S. 309-318; hier besonders S. 312-315. Auch für den H<strong>in</strong>weis auf diesen Text danke<br />
ich Ulla Plener. – Außerdem Gustav Landauer, Der werdende Mensch. Aufsätze über Leben und Schrifttum,<br />
Potsdam 1921, S. 358 (Hillers „Herrenhaus“, falls etabliert, werde sich rasch als „Tollhaus“ erweisen!). Zur<br />
Kritik von Karl Kraus an Hillers „Herrenhaus“-Vorstellungen siehe Wolfgang Beut<strong>in</strong>: „Ich aber werde die<br />
Kraft haben, Sie nie mehr zu hassen …“. Phasen e<strong>in</strong>er schwierigen Beziehung – Kurt Hiller und Karl Kraus,<br />
<strong>in</strong>: Schriften der Kurt Hiller Gesellschaft, Bd. 2/2005, S. 43-82.<br />
29 Mit dieser Überschrift ließ Rub<strong>in</strong>er den Text, der ursprünglich etwas anders betitelt war, <strong>in</strong> Sammlungen wieder<br />
abdrucken. Siehe z. B. Der Mensch <strong>in</strong> der Mitte (Essays, zuerst 1917), Potsdam 1920, hier: S. 17-30. –<br />
Auch auf Rub<strong>in</strong>er und die <strong>Novemberrevolution</strong> gehe ich nur stichwortartig e<strong>in</strong>, weil Heidi Beut<strong>in</strong> kürzlich<br />
über dies Thema referierte; siehe entsprechend das <strong>in</strong> Anm. 20 Gesagte.<br />
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