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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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Im folgenden versuche ich, die Intellektuellen <strong>in</strong> der <strong>Novemberrevolution</strong> experimentell<br />

<strong>in</strong> Gruppen zusammenzudenken – die nur ausnahmsweise mit geschichtlich<br />

nachweislichen identisch se<strong>in</strong> werden. Soweit sich mehrere der Intellektuellen<br />

<strong>in</strong> der Tat den <strong>in</strong> der Realität existierenden Gruppen, Bünden,<br />

Vere<strong>in</strong>igungen oder Parteien usw. anschlossen, soll doch diese Zugehörigkeit<br />

nicht alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Betracht kommen, also die Zugehörigkeit etwa zu e<strong>in</strong>er Partei, zur<br />

kommunistischen, zu den Unabhängigen Sozialdemokraten, zur MSPD, zu den<br />

Liberalen usw., nie das e<strong>in</strong>zige Kriterium bilden. In der Regel kommen mehrere<br />

Aspekte vere<strong>in</strong>igt zur Anwendung: soziale Herkunft, politisch-philosophische<br />

Lehre im Kern, Zuordnung zu e<strong>in</strong>er Partei, zum Rätesystem oder zu beidem, vornehmliche<br />

Betätigung <strong>in</strong> der Revolution (ob als Mitwirkender, Beobachter, Gegner?).<br />

Autoren aus dem Bürgertum<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>stellungen bürgerlicher Autoren zur Revolution waren nicht e<strong>in</strong>heitlich,<br />

sondern s<strong>in</strong>d auf e<strong>in</strong>er Skala angeordnet zu denken: von rigoroser Fe<strong>in</strong>dschaft,<br />

über Schwanken zwischen dieser und Sympathie – bis h<strong>in</strong> zu e<strong>in</strong>er Haltung, die<br />

aus Kritik an der Revolution und Bereitschaft zur Mitarbeit <strong>in</strong> ihr zusammengesetzt<br />

ist.<br />

Fe<strong>in</strong>dschaft gegen jegliche Revolution und Demokratie <strong>in</strong> jeder Form äußerte<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Werk kont<strong>in</strong>uierlich Ernst Jünger. So gesehen ist es ke<strong>in</strong> Zufall, dass er<br />

e<strong>in</strong>e der großen Revolutionen der Neuzeit, die von 1789, herabsetzte und den Ersten<br />

„Weltkrieg zu e<strong>in</strong>er historischen Ersche<strong>in</strong>ung“ überhöhte, „die an Bedeutung<br />

der Französischen Revolution weitaus überlegen“ 8 gewesen sei. Daraus lässt sich<br />

ableiten, wie er die <strong>Novemberrevolution</strong> bewertete. Er trat ihr mit se<strong>in</strong>em Konzept<br />

der „totalen Mobilmachung“ entgegen. In demselben Buch, dem e<strong>in</strong> „Epigrammatischer<br />

Anhang“ beigegeben ist – der jedoch ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Epigramm enthält,<br />

vielmehr e<strong>in</strong>e Reihe unzusammenhängender Notizen –, steht auch zu lesen: „<strong>Die</strong><br />

Zahl der Leidenden ist bedeutungslos.“ (S. 220) Sachlich, wie der Satz kl<strong>in</strong>gt,<br />

schließt er doch das Ja zu allen großen Verbrechen der Geschichte e<strong>in</strong>, zu sämtlichen<br />

Massakern, zum Genozid und zum Scheiterhaufen. Weil die Zahl der Leidenden<br />

eben niemals bedeutungslos war und ist, gab es und gibt es Revolutionen.<br />

E<strong>in</strong> bayerischer Beobachter der Vorgänge war e<strong>in</strong> Konservativer: Josef Hofmiller.<br />

In se<strong>in</strong>em „Revolutionstagebuch“ <strong>1918</strong>/19 notierte er über die letzte, nicht<br />

mehr gehaltene Rede des von e<strong>in</strong>em nationalistischen Attentäter ermordeten<br />

bayerischen M<strong>in</strong>isterpräsidenten Kurt Eisner (USPD): „Sie wäre genau so verlogen<br />

und unverschämt gewesen wie se<strong>in</strong>e früheren.“ Den Zwischenruf: „Hannibal“,<br />

der e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> München im Zentralrat ertönte, kommentierte er spie-<br />

8 Blätter und Ste<strong>in</strong>e, Leipzig 1943, S. 129.<br />

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