Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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zende Zahl von Teilnehmern beiwohnte; die Angaben <strong>in</strong> den Leipziger Tageszeitungen<br />
bewegten sich zwischen 40.000 und 100.000. <strong>Die</strong> USPD-Führer Ryssel,<br />
Lip<strong>in</strong>ski, Friedrich Geyer und Seger 20 wandten sich mit Ansprachen an die Menge.<br />
Seger rief zur Aufrechterhaltung der Diszipl<strong>in</strong> auf, führte Beweise für die deutsche<br />
Kriegsschuld an und gab der illusorischen Überzeugung Ausdruck, dass auch <strong>in</strong><br />
England und Frankreich Matrosenaufstände stattfänden und damit die Weltrevolution<br />
im Gange sei. 21 Nach übere<strong>in</strong>stimmenden Meldungen herrschte auf der<br />
Kundgebung e<strong>in</strong>e friedliche Atmosphäre, Ausschreitungen wurden nicht gemeldet.<br />
Am 9. November war Friedrich Seger zum provisorischen Volkskommissar der<br />
Stadt Leipzig ernannt worden. In e<strong>in</strong>em Aufruf, welcher an diesem Tag <strong>in</strong> allen<br />
Leipziger Zeitungen abgedruckt werden musste und Passagen der Rede Lip<strong>in</strong>skis<br />
vom Vortag wiedergab, hieß es: „<strong>Die</strong> Ereignisse haben sich überstürzt. ... <strong>Die</strong><br />
nächste Aufgabe des Arbeiter- und Soldatenrates wird se<strong>in</strong>, die Ordnung und Ruhe<br />
<strong>in</strong> der Stadt und der Umgebung und die Ernährung für die Bevölkerung mit allen<br />
Mitteln aufrechtzuerhalten. ... Das Ziel der Bewegung ist die sozialistische Republik.“<br />
<strong>Die</strong> kommunalen und Regierungsbehörden wurden angewiesen, dass, vorbehaltlich<br />
e<strong>in</strong>er Neuregelung, alle Beamten zunächst weiterarbeiten sollten und lediglich<br />
durch Abgesandte des Rates überwacht wurden. In e<strong>in</strong>er Anweisung des<br />
noch amtierenden letzten königlichen Innenm<strong>in</strong>isters Koch vom 11. November an<br />
alle <strong>Die</strong>nststellen hieß es: „Im E<strong>in</strong>verständnis mit dem Gesamtm<strong>in</strong>isterium richte<br />
ich an alle Beamten und Angestellten im Bereich des M<strong>in</strong>isteriums des Inneren<br />
die dr<strong>in</strong>gende Aufforderung, auf ihren Posten auszuharren und ihre Pflicht wie<br />
bisher zu erfüllen. ... Mehr als je muss <strong>in</strong> diesen schweren Tagen das Wort gelten:<br />
Über alles das Vaterland!“ 22<br />
Sowohl die Kreishauptmannschaft Leipzig als auch der Amtshauptmann von<br />
F<strong>in</strong>ck führten daraufh<strong>in</strong> die Geschäfte weiter. Am 15. November wurde allerd<strong>in</strong>gs<br />
im Mitteilungsblatt des Arbeiter- und Soldatenrates verkündet: „Der engere Ausschuss<br />
des Arbeiter- und Soldatenrates Leipzig beschließt: Das bisherige Dreiklassen-Stadtverordnetenkollegium<br />
nicht mehr als bestehend zu betrachten und<br />
den Rat der Stadt Leipzig solange die Geschäfte weiterführen zu lassen, bis der<br />
Arbeiter- und Soldatenrat zu Leipzig und die sächsische Regierung <strong>in</strong> verfassungsrechtlicher<br />
H<strong>in</strong>sicht andere Beschlüsse gefasst haben.“ 23<br />
Der Oberbürgermeister Dr. Rothe stellte dem Arbeiter- und Soldatenrat vorläufig<br />
e<strong>in</strong>e Tagungsmöglichkeit im Rathaus zur Verfügung. Im Dezember bezog der<br />
Rat dann se<strong>in</strong> neues Domizil <strong>in</strong> der Harkortstraße. Auch f<strong>in</strong>anziell kam Dr. Rothe<br />
20 Friedrich Seger, seit 1883 <strong>in</strong> der SPD, war seit 1901 Redakteur der LVZ. 1917 Übertritt zur USPD.<br />
21 Siehe StadtAL, Kapitelakten 1, Nr. 90, Bl.8f.<br />
22 SStAL, Amtshauptmannschaft Leipzig, Nr. 45, Bl.45.<br />
23 StadtAL, Kapitelakten 70, Nr. 165, Beiheft 2, Blatt 10 (= Mitteilungsblatt des Arbeiter- und Soldatenrates<br />
Leipzig, Teil A (Stadt Leipzig), Nr. 1).<br />
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