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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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wieder aufnahmen. Zugleich wirkte sich der Bürgerstreik unmittelbar auf die<br />

Landtagswahl aus, bei der die DDP massive Stimmenrückgänge zu verzeichnen<br />

hatte, während die bürgerlichen Rechtsparteien DVP und DNVP massiv h<strong>in</strong>zugewannen.<br />

Langfristig stärkte der Bürgerstreik die Bereitschaft im Bürgertum, unter<br />

dem Schutz von Regierungstruppen mit Gewalt gegen die Arbeiter vorzugehen.<br />

64 <strong>Die</strong> hier zum Ausdruck kommende Radikalisierung des Bürgertums war jedoch<br />

ke<strong>in</strong>e kurzfristige Reaktion auf den Radikalismus der Arbeiterbewegung, 65<br />

vielmehr richtete sich der bürgerliche Radikalismus <strong>in</strong>sgesamt gegen die Ergebnisse<br />

der Revolution, die bürgerlich-parlamentarische Demokratie und die junge<br />

Republik.<br />

Schon die Regierungskrisen <strong>in</strong> mehreren thür<strong>in</strong>gischen Kle<strong>in</strong>staaten <strong>in</strong> Reaktion<br />

auf die Oktoberreformen <strong>1918</strong> hatten gezeigt, dass sich die monarchistischen,<br />

nationalistischen und völkischen Kreise aktiv gegen die von der neuen Reichsregierung<br />

ausgehenden Parlamentarisierungsbestrebungen zu wenden versuchten. 66<br />

Hier wurde e<strong>in</strong>e zweite, oftmals übersehene oder bewusst verschwiegene Kont<strong>in</strong>uitätsl<strong>in</strong>ie<br />

des thür<strong>in</strong>gischen Bürgertums kenntlich, deren Anfänge <strong>in</strong> die Zeit der<br />

Reichsgründung von Oben (1866–1871) zurückreichten. 67 Während dieser Zeit<br />

veränderte sich das politische Klima <strong>in</strong> der Region nachhaltig. Sichtbar wurde<br />

dies <strong>in</strong> der Spaltung der Nationalliberalen Partei. Während sich führende Vertreter<br />

des thür<strong>in</strong>gischen Liberalismus um Eduard Lasker 1880 an der Bildung der Liberalen<br />

Vere<strong>in</strong>igung maßgeblich beteiligten 68 , gehörte e<strong>in</strong> großer Teil se<strong>in</strong>er bürgerlichen<br />

Basis zu den „Stützen der reaktionären Politik der letzten Kanzlerjahre<br />

Bismarcks“ 69 . In der Losung „Das Nationale voran, das Liberale folgt dann“ 70 kam<br />

e<strong>in</strong> Nationalismus zum Ausdruck, der, als Ausgrenzungsideologie gegenüber <strong>in</strong>neren<br />

und äußeren Fe<strong>in</strong>den verstanden, zur verb<strong>in</strong>denden Gedankenwelt des<br />

Bürgertums wurde. Vor allem <strong>in</strong> den milieuübergreifenden bürgerlichen Massenorganisationen<br />

bildete er die Grundlage e<strong>in</strong>er Politik, „die auf Parteien und parlamentarische<br />

Mehrheiten nichts gab“ 71 . <strong>Die</strong>ser im Deutschen Kaiserreich allgeme<strong>in</strong>e<br />

Entliberalisierungsprozess wurde <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen durch mehrere Aspekte<br />

nachhaltig bee<strong>in</strong>flusst und verstärkt.<br />

64 Siehe hierzu <strong>in</strong>sgesamt Matthiesen, Bürgertum und Nationalsozialismus, S. 72-80.<br />

65 <strong>Die</strong>s ist die zentrale These von Matthiesen.<br />

66 Siehe Schulze, <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>1918</strong> <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen, S. 44/45. „<strong>Die</strong> neueste <strong>in</strong>nenpolitische Entwicklung<br />

erfüllt alle monarchistischen Herzen mit ernster Sorge. Fest und sicher ruhte bisher das Deutsche Reich<br />

auf der Dreiteilung der Gewalten zwischen Kaiser, Bundesfürsten und Reichstag. Fällt durch die beabsichtigte<br />

Parlamentarisierung e<strong>in</strong> Großteil der Kaisermacht dem Reichstag zu, so muss dessen Übergewicht die Fürstengewalt<br />

zermalen. (...) Der auf fremden Boden erwachsene und für uns schädliche Parlamentarismus, dem<br />

der Fürst nicht wie uns der Vorderste des Volkes, sondern e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Schach zu haltende Partei ist, würde über die<br />

reiche Entwicklung deutscher Geschichte zerstörend h<strong>in</strong>weg schreiten und müsste die Verkümmerung deutscher<br />

Art zur Folge haben.“ Zitiert nach Baudert, Sachsen-Weimars Ende, S. 4.<br />

67 Siehe Rudolph, Untergang auf Raten, S. 19.<br />

68 Siehe Hess, Geschichte Thür<strong>in</strong>gens, S. 159.<br />

69 Ebenda, S. 161.<br />

70 Ebenda, S. 166.<br />

71 Matthiesen, Bürgertum und Nationalsozialismus, S. 32.<br />

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