23.10.2012 Aufrufe

Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

E<strong>in</strong> Meer von Blut und Tränen wäre dem deutschen Volk und der Menschheit erspart<br />

geblieben. Es hätte ke<strong>in</strong>en Adolf Hitler gegeben, ke<strong>in</strong>e Konzentrationslager,<br />

ke<strong>in</strong>e Judenvernichtung. Europa wäre nicht zum Trümmerfeld geworden.“<br />

Den ersten Text hat e<strong>in</strong> Metaller gesprochen, nämlich Robert Dißmann als<br />

Sprecher der l<strong>in</strong>ken Opposition auf der 14. ordentlichen Generalversammlung des<br />

Deutschen Metallarbeiter-Verbandes <strong>in</strong> Stuttgart am 16. Oktober <strong>1919</strong>. Dißmann<br />

erhob e<strong>in</strong>e bittere Anklage, aber war auch überzeugt davon, dass es noch nicht zu<br />

spät ist, das Steuer herumzureißen, die Fehler zu korrigieren. Den Anfang machten<br />

die Metaller noch <strong>in</strong> Stuttgart, <strong>in</strong>dem sie sich e<strong>in</strong>en neuen Vorsitzenden wählten,<br />

ke<strong>in</strong>en anderen als Robert Dißmann selbst, Mitglied der USPD, die kurz zuvor,<br />

im April 1917, aus Protest gegen die Kriegspolitik des SPD-Parteivorstandes<br />

gegründet worden war. Der zweite Text stammt aus der Rede, die der Kommunist<br />

Fritz Mart<strong>in</strong>, Mitglied des Betriebsrates bei Heraeus, anlässlich der Maifeier 1946<br />

<strong>in</strong> Hanau gehalten hat, vor der Fassade e<strong>in</strong>es Schlosses, das der Zufall übrig gelassen<br />

hatte, im Rücken der Zuhörer aber die Trümmerfläche der niedergebrannten<br />

Stadt. 6<br />

Wir wissen nicht, was aus e<strong>in</strong>er siegreichen „Deutschen Föderativen Sozialistischen<br />

Republik“ des Jahres <strong>1919</strong> an der Seite von Räteungarn und Sowjetrussland<br />

im Laufe der Jahrzehnte geworden wäre. Vielleicht hätte auch sie <strong>in</strong>zwischen<br />

e<strong>in</strong> unrühmliches Ende gefunden. Wir können aber mit e<strong>in</strong>iger Gewissheit<br />

dem Hanauer Kollegen zustimmen, wenn er aufzählte, was nicht geschehen<br />

wäre...<br />

<strong>Die</strong> Konturen des europäischen Bürgerkrieges haben sich seit 1989-1991 verwischt.<br />

Niemand kann mehr sagen: Geh doch nach drüben! <strong>Die</strong> Sowjetunion hat<br />

sich selbst aufgelöst. Pankow ist e<strong>in</strong> beliebtes Wohnviertel <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, weiter nichts.<br />

Touristen, die aus Israel kommen, me<strong>in</strong>en, die Berl<strong>in</strong>er Mauer sei ja geradezu<br />

niedlich gewesen im Vergleich zu der Mauer, die sie <strong>in</strong> Israel gesehen hatten. In<br />

Brandenburg, <strong>in</strong> der Lausitz (und nicht nur dort) s<strong>in</strong>d die Neonazis Teil der „dörflichen<br />

Jugendkultur“. Und wer e<strong>in</strong>mal richtig l<strong>in</strong>ke Sprüche hören will, der lädt<br />

sich Norbert Blüm oder He<strong>in</strong>er Geisler e<strong>in</strong>. Das ist die (nicht mehr ganz so) neue<br />

Unübersichtlichkeit, <strong>in</strong> der nur e<strong>in</strong>es unstrittig ist: Das gesamte politische Spektrum<br />

verschiebt sich nach rechts, und das Kräfteverhältnis verändert sich zu Ungunsten<br />

der Arbeitnehmer. Ottmar Schre<strong>in</strong>er spricht von e<strong>in</strong>er „Entsozialdemokratisierung“<br />

se<strong>in</strong>er Partei, der SPD, <strong>in</strong> der Ära Schröder. Es ist <strong>in</strong> der Tat schwer,<br />

sich auch nur <strong>in</strong> den Sommer 1998 zurückzuversetzen, als die Metalljugend bei<br />

ihrem Aktionsfestival <strong>in</strong> Frankfurt e<strong>in</strong>e Puppe mit den Zügen von Helmut Kohl<br />

unter Jubel im Ma<strong>in</strong> versenkte. Sie wusste ja nicht, was folgen würde!<br />

6 <strong>Die</strong> Texte f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong>: Peter Scherer/Peter Schaaf: Dokumente zur Geschichte der Arbeiterbewegung <strong>in</strong><br />

Württemberg und Baden 1848-1949, Stuttgart 1984, S.291, sowie Judit Pákh: Das rote Hanau. Arbeit und Kapital<br />

1830-1949, Hanau 2007, S. 932.<br />

302

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!