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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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litärischen Zusammenbruch <strong>in</strong> Altona, Hamburg, Breslau, München, Köln, Berl<strong>in</strong><br />

und Stuttgart dargestellt hatte. 55 Sie beschrieben, wie der <strong>in</strong> Kiel entzündete revolutionäre<br />

Funke den Weg <strong>in</strong> die Städte fand, die Massen mobilisierte und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

nahezu unblutigen Revolution gipfelte. <strong>Die</strong> bewusst als Augenzeugenberichte abgefassten<br />

Artikel betonten die Entschlossenheit der Massen, die zu diesem Zeitpunkt<br />

zu allen Opfern bereit waren, und die <strong>in</strong> ihrer „Sorge um Hab und Gut“ gefangenen<br />

reaktionären Kräfte, die dem nichts mehr entgegenzusetzen hatten. 53<br />

Juchacz’ Schwester Elisabeth beleuchtete <strong>in</strong> ihrem Artikel vor allem das Verdienst<br />

der rhe<strong>in</strong>ischen Sozialdemokratie bei der Koord<strong>in</strong>ierung des Truppenrückzugs. In<br />

Ermangelung jeglicher Unterstützung des Roten Kreuzes oder des Vaterländischen<br />

Frauenvere<strong>in</strong>s seien es die sozialdemokratischen Frauen und die Mitglieder<br />

des Kölner Arbeiter- und Soldatenrates gewesen, die <strong>in</strong> unverzüglichem und unermüdlichem<br />

E<strong>in</strong>satz e<strong>in</strong>en weiteren „Menschen- und Materialverlust“ verh<strong>in</strong>dert<br />

hätten. Sie resümierte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er die bisherige sozialdemokratische Politik rechtfertigenden<br />

Weise: „Wir Sozialdemokraten aber wissen, was die Hauptsache war,<br />

und wir wissen immer, was <strong>in</strong> den Zeiten der Not des Vaterlandes unsere Pflicht<br />

war. <strong>Die</strong> taten wir am 4. August 1914. Aber am 9. November <strong>1918</strong> taten wir noch<br />

mehr als nur unsere Pflicht.“ 56<br />

Vor der <strong>Novemberrevolution</strong> hatte die Berichterstattung der „Gleichheit“ vornehmlich<br />

Durchhalteparolen und Forderungen nach e<strong>in</strong>em gerechten Frieden zum<br />

Inhalt, wobei die Furcht vor den Folgen e<strong>in</strong>er Invasion e<strong>in</strong>e große Rolle spielte. 57<br />

E<strong>in</strong> zentrales <strong>in</strong>nenpolitisches Thema war der Kampf gegen e<strong>in</strong>en bevölkerungspolitischen<br />

Gesetzentwurf, der Verhütungsmittel und Schwangerschaftsabbruch<br />

krim<strong>in</strong>alisieren und das Selbstbestimmungsrecht der Frau über ihren Körper e<strong>in</strong>schränken<br />

sollte. 58 Marie Juchacz sprach sich für e<strong>in</strong>e legale Empfängnisverhütung,<br />

aber auch für e<strong>in</strong>e „gesunde Volksvermehrung“ aus. 59 Außerdem forderte sie<br />

die Aufhebung des Zwangszölibats für Beamt<strong>in</strong>nen. Den Leser<strong>in</strong>nen wurden die<br />

USA und Präsident Woodrow Wilson als besondere Vorbilder für die E<strong>in</strong>führung<br />

des Frauenwahlrechts vorgestellt. Als Geburtsstunde der Demokratie galt der Redaktion<br />

vor allem der E<strong>in</strong>tritt der SPD <strong>in</strong> die Regierung im Oktober <strong>1918</strong>.<br />

Nach der <strong>Novemberrevolution</strong> wurde der Anteil der Frauen an der revolutionären<br />

Bewegung hervorgehoben und ihre Beteiligung <strong>in</strong> den Arbeiter- und Soldatenräten<br />

gefordert. <strong>Die</strong> Marschroute war klar: <strong>Die</strong> Demokratie sollte zum So-<br />

54 Siehe Wie sich die Revolution vollzog I-III, <strong>in</strong>: „<strong>Die</strong> Gleichheit“ vom 8.11.<strong>1919</strong>, S. 298-300; 15.11.<strong>1919</strong>, S.<br />

307-309 und 22.11.<strong>1919</strong>, S. 314-316.<br />

55 Siehe Sophie Schöfer: Wie sich die Revolution vollzog II, <strong>in</strong>: „<strong>Die</strong> Gleichheit“ vom 15.11.<strong>1919</strong>, S. 307.<br />

56 Elisabeth Röhl: Wie sich die Revolution vollzog II, <strong>in</strong>: „<strong>Die</strong> Gleichheit“ vom 15.11.<strong>1919</strong>, S. 307.<br />

57 Neun Monate nach Kriegsende veröffentlichte „<strong>Die</strong> Gleichheit“ kommentarlos, dass „[<strong>in</strong>] Köln a. Rh. […] <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Monat 600 uneheliche K<strong>in</strong>der geboren worden [seien], die Ausländer (englische Besatzung) zu Vätern<br />

haben“ („<strong>Die</strong> Gleichheit“ vom 15.9.<strong>1919</strong>, S. 310).<br />

58 Gegen die bevölkerungspolitischen Pläne, <strong>in</strong>: „<strong>Die</strong> Gleichheit“ vom 13.9.<strong>1918</strong>, S. 193. Es wurde von der Redaktion<br />

sogar e<strong>in</strong>e eigene Rubrik „Bevölkerungspolitik“ e<strong>in</strong>gerichtet.<br />

59 Marie Juchacz: Gegen die bevölkerungspolitischen Gesetzentwürfe, <strong>in</strong>: „<strong>Die</strong> Gleichheit“ vom 11.10.<strong>1918</strong>,<br />

S. 2.<br />

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