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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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MIRJAM SACHSE<br />

Marie Juchacz: Reflexionen der <strong>Novemberrevolution</strong><br />

<strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> <strong>in</strong> der „Gleichheit“<br />

Der Erste Weltkrieg hatte verheerende Folgen für die Arbeiterbewegung – so<br />

auch für die proletarische Frauenbewegung. Von e<strong>in</strong>schneidender Bedeutung für<br />

die deutsche und die <strong>in</strong>ternationale proletarische Frauenbewegung war der Mai<br />

1917: Am 16. Mai 1917 teilte der Parteivorstand der SPD der langjährigen<br />

Redakteur<strong>in</strong> der Frauenzeitschrift „<strong>Die</strong> Gleichheit“ und Sekretär<strong>in</strong> der sozialistischen<br />

Frauen<strong>in</strong>ternationale Clara Zetk<strong>in</strong> (1857-1933)mit, sie sei entlassen.<br />

Aus Sicht des Parteivorstands unter dem Vorsitz Friedrich Eberts (1871-1925)<br />

wurde Zetk<strong>in</strong> aufgrund ihrer kritischen Haltung zu Krieg und Burgfrieden untragbar:<br />

Zu vehement hatte die konsequente Antimilitarist<strong>in</strong> den Parteivorstand<br />

für se<strong>in</strong> „Umlernen“ kritisiert, zu deutlich nahm sie e<strong>in</strong>en radikalisierenden E<strong>in</strong>fluss<br />

auf die Frauenorganisationen. <strong>Die</strong> unleugbar s<strong>in</strong>kenden Abonnementzahlen<br />

der Zeitschrift 1 waren willkommener Anlass für Parteivorstand und Parteiausschuss,<br />

Zetk<strong>in</strong> ihre wichtigste öffentliche Plattform aus der Hand zu nehmen.<br />

<strong>Die</strong> Entlassung Zetk<strong>in</strong>s und „der Gleichheitsmord“ 2 kamen ke<strong>in</strong>eswegs überraschend.<br />

E<strong>in</strong>e richtungweisende Personalentscheidung an der Spitze der proletarischen<br />

Frauenbewegung war bereits vorausgegangen. Luise Zietz (1865-<br />

1922), erstes und e<strong>in</strong>ziges weibliches Mitglied im Parteivorstand der SPD, hatte<br />

ihre anfangs befürwortende und später abwartende Haltung zum Krieg aufgegeben<br />

und sich auf die Seite der radikalen Kriegsgegner gestellt. Ebert hätte sie deshalb<br />

gerne bereits 1916 durch e<strong>in</strong>e wesentlich weniger streitbare Person ersetzt,<br />

doch die Genoss<strong>in</strong>, die er für diesen Posten vorgesehen hatte, zögerte. 3 Erst nachdem<br />

Luise Zietz offen die neue oppositionelle Gruppierung unterstützte, war die<br />

Auserkorene – das war Marie Juchacz – bereit, die unbequem gewordene Frauensekretär<strong>in</strong><br />

im Parteivorstand zu beerben. Luise Zietz erhielt ihre Kündigung im<br />

Februar 1917, Zetk<strong>in</strong> die ihre drei Monate später. Beide Positionen, die höchsten<br />

<strong>in</strong> der Frauenbewegung der SPD, wurden nun von Marie Juchacz übernommen.<br />

In der Redaktion der „Gleichheit“ stellte man ihr den Parteifunktionär und<br />

Pädagogen He<strong>in</strong>rich Schulz zur Seite. 4 „<strong>Die</strong> Gleichheit“ und die proletarische<br />

1 <strong>Die</strong> enormen Verluste der „Gleichheit“ ergaben sich vornehmlich aus gezielten Abonnementkündigungen der<br />

Gewerkschaften und aus der allgeme<strong>in</strong> miserablen Lebenssituation während des Krieges. Für die Entlassung<br />

Zetk<strong>in</strong>s waren sie nur vorgeschoben. Siehe Mirjam Sachse: „Ich erkläre mich schuldig.“ – Clara Zetk<strong>in</strong>s Entlassung<br />

aus der Redaktion der „Gleichheit“ 1917, <strong>in</strong>: Ulla Plener (Hrsg.): Clara Zetk<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihrer Zeit. Neue Fakten,<br />

Erkenntnisse, Wertungen. Material des Kolloquiums anlässlich ihres 150. Geburtstages am 6. Juli 2007 <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong> 2008, S. 72-78.<br />

2 Käte Duncker <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Brief an Hermann Duncker, 23./24.05.1917, SAPMO-BArch, NY 4445/138.<br />

3 Siehe Susanne Miller: Marie Juchacz als Frauensekretär<strong>in</strong> der SPD, <strong>in</strong>: Marie Juchacz. Leben und Werk. Hrsg.<br />

vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt, Bonn 1979, S.106-122, S. 112.<br />

4 Das Verhältnis der beiden neuen „Gleichheit“-Redakteure sche<strong>in</strong>t nicht unproblematisch gewesen zu se<strong>in</strong>.<br />

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