Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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lutionsbeg<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e Sozialisierungskommission unter Karl Kautsky e<strong>in</strong>berufen.<br />
Das Abkommen zwischen Unternehmerverbänden und Gewerkschaften vom<br />
15. November <strong>1918</strong> enthielt wesentliche politische und soziale Zugeständnisse an<br />
die Gewerkschaften. 25<br />
In <strong>Deutschland</strong> hatten Mitbestimmung und Kooperation zwischen Arbeiterund<br />
Unternehmerschaft keimhafte Vorläufer <strong>in</strong> den während des Krieges gebildeten<br />
Arbeiter- und Angestelltenausschüssen. In Österreich und <strong>Deutschland</strong><br />
wurde mit der Betriebrätegesetzgebung e<strong>in</strong> Schritt zur Ersetzung der autokratischen<br />
durch e<strong>in</strong>e demokratische Arbeitsdiszipl<strong>in</strong> getan. Während <strong>in</strong> Österreich das<br />
Betriebsrätegesetz auf dem Höhepunkt der mitteleuropäischen Revolution zur<br />
Zeit der Münchener und Budapester Räterepubliken <strong>1919</strong> erlassen wurde und den<br />
Betriebsräten ke<strong>in</strong>erlei Beschränkungen bei der Wahrnehmung wirtschaftlicher,<br />
sozialer und kultureller Interessen der Arbeiterschaft auferlegte, griff das Betriebsrätegesetz<br />
<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> von 1920 trotz verfassungsrechtlicher Absichtserklärungen<br />
nicht mehr so weit. Und auch <strong>in</strong> Russland wich die anfängliche demokratische<br />
Betriebsverfassung schließlich dem bürokratischen Staatsmonopolismus.<br />
E<strong>in</strong> demokratisch kontrollierter Staatskapitalismus wäre <strong>in</strong> der Anfangsphase<br />
der Revolution gewiss das konsensfähigere Konzept gewesen. Karl Kautsky<br />
formulierte e<strong>in</strong> solches Konzept, das sich auf den Würzburger Parteitag der deutschen<br />
Sozialdemokratie stützte. Demgegenüber lässt sich Len<strong>in</strong>s Sozialismuskonzept<br />
als das konsequentere Modell nicht ohne weiteres verwerfen, weil es bisher<br />
noch gar nicht widerlegt ist. Denn die Parteidiktatur der Bolschewiki war nicht<br />
identisch mit proletarischer Staatsmacht. Deshalb ist Otto Bauer, dem Leiter der<br />
österreichischen Sozialisierungskommission, zuzustimmen, der den Betriebsräten<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Land e<strong>in</strong>e größere Bedeutung, nämlich Vorstufe e<strong>in</strong>er sozialistischen<br />
Produktionsweise zu se<strong>in</strong>, beigemessen hat, als der gewaltsamen Ersetzung des<br />
Unternehmers durch e<strong>in</strong>e kommunistische Bürokratie.<br />
Es muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass es nicht Len<strong>in</strong> war, der die<br />
Oktoberrevolution <strong>in</strong> Russland zum Leitmodell aller sozialistischen Revolutionen<br />
erhoben hat. Und es war auch nicht Len<strong>in</strong>, der den roten Terror zur Doktr<strong>in</strong> der<br />
Sowjet-Republik gemacht hat. Dass die Bolschewiki <strong>1918</strong> durch die Umstände<br />
gezwungen waren, die Alle<strong>in</strong>herrschaft auszuüben, kann ihnen unter dem Gesichtspunkt<br />
der Bedeutung des Brester Friedens nicht zum Vorwurf gemacht werden.<br />
Zeitweilige Diktatur und Terror waren im gesamten bürgerlichen Revolutionszyklus<br />
legitime Machtmittel, der Revolution zum Durchbruch zu verhelfen.<br />
<strong>Die</strong> Tatsache, dass auch die Revolution <strong>in</strong> Russland dieser Methode bedurfte,<br />
spricht, Rosa Luxemburg zufolge, eher für den bürgerlichen Charakter dieser Revolution.<br />
26 Doch die Negativfolge dieser Alle<strong>in</strong>herrschaft und des Terrors war die<br />
Ablehnung nicht nur durch die Reformer der Sozialdemokratie. Auch Rosa Lu-<br />
25 He<strong>in</strong>rich August W<strong>in</strong>kler: Vom Kaiserreich zur Republik. Der historische Ort der Revolution von <strong>1918</strong>/19, <strong>in</strong>:<br />
Streitfragen der deutschen Geschichte, München 1997, S. 65f..<br />
26 Siehe Rosa Luxemburg: E<strong>in</strong> gewagtes Spiel, <strong>in</strong>: GW, Bd. 4, S. 412.<br />
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