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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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sollten die Großunternehmen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en korporativen Rahmen e<strong>in</strong>gefasst und zugleich<br />

staatlicher Kontrolle unterworfen werden. E<strong>in</strong>e Änderung der Eigentumsverhältnisse,<br />

wie sie die Programmatik der Arbeiterbewegung nahelegte, war mit<br />

dieser Idee der Geme<strong>in</strong>wirtschaft nicht vorgesehen. <strong>Die</strong>s h<strong>in</strong>derte Wissel dennoch<br />

nicht daran, das Modell unter dem Label des Sozialismus zu postulieren, was e<strong>in</strong><br />

Schlaglicht auf die revolutionäre Conta<strong>in</strong>ment-Politik von SPD und Gewerkschaften<br />

und die damit verbundene Umdeutung zentraler Begriffe aus der sozialistischen<br />

Programmatik der Arbeiterbewegung wirft.<br />

Auch die sozialdemokratische Wirtschaftspolitik zielte weniger auf Revolution<br />

denn auf die evolutionäre Fortentwicklung des Bestehenden ab. <strong>Die</strong> Realisierung<br />

der sozialistischen Wirtschaftsordnung sollte nun nicht mehr auf dem Wege der<br />

Abschaffung der kapitalistischen Ordnung erreicht werden, sondern durch deren<br />

Demokratisierung. Damit korrespondierte die Transformation des marxistischen<br />

Vokabulars: „Sozialismus“ konnte <strong>in</strong> wirtschaftlicher H<strong>in</strong>sicht nunmehr auch<br />

„Geme<strong>in</strong>wirtschaft“ bedeuten. 59 In der „Bergarbeiter-Zeitung“ hieß es etwa im<br />

Februar <strong>1919</strong>: „Das Ziel der wirtschaftlichen Revolution ist der Sozialismus, d. h.<br />

an die Stelle der privatkapitalistischen Güterherstellung und Warenverteilung<br />

(soll) die geme<strong>in</strong>e Wirtschaft (gesetzt werden), <strong>in</strong> der nicht mehr um des Profites<br />

willen, sondern von der Gesellschaft der Bedarf der Gesellschaft produziert<br />

wird.“ 60 Vor dem H<strong>in</strong>tergrund der großen ideengeschichtlichen Tradition des Sozialisierungsprojekts<br />

blieb dieses Konzept der Geme<strong>in</strong>wirtschaft entsprechend<br />

weit h<strong>in</strong>ter den Erwartungen zahlreicher Sozialdemokraten und Gewerkschafter<br />

sowohl im Reich als auch im Ruhrgebiet zurück. E<strong>in</strong>e Mehrheit <strong>in</strong> den Arbeiterorganisationen<br />

hielt daher an der „Vollsozialisierung“ fest, worunter „sie die Enteignung<br />

der Produktionsmittelbesitzer zugunsten des Staates oder der Gesellschaft<br />

verstand“. 61<br />

Am wahrsche<strong>in</strong>lichsten war noch e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung <strong>in</strong> der Frage der Sozialisierung<br />

des Kohlenbergbaus. Gerade die Ruhrzechen erschienen aufgrund der weitgehenden<br />

Kartellierung im Kontext des Rhe<strong>in</strong>isch-Westfälischen Kohlensyndikats<br />

(RWKS) und der starken Stellung des preußischen Staates als Eigentümer zahlreicher<br />

Ruhrzechen für die Vergesellschaftung besonders geeignet. 62 Nichtsdestotrotz<br />

bildete das Ruhrgebiet die Kulisse für die Verschleppung und das letztliche<br />

Scheitern e<strong>in</strong>es grundlegenden Umbaus der Wirtschafts- und Sozialordnung<br />

während der Revolution.<br />

Am 13. Januar <strong>1919</strong> forderte die „Neunerkommission“, e<strong>in</strong> mit Vertretern aus<br />

SPD, USPD und KPD paritätisch besetzter Ausschuss des Essener Arbeiter- und<br />

Soldatenrates, unter dem Druck der Streikbewegung die Sozialisierung des Ruhrkohlenbergbaus.<br />

Schon am 11. Januar waren die Verwaltungen des RWKS und des<br />

59 Siehe Wirsch<strong>in</strong>g, Weimarer Republik, S. 5.<br />

60 Bergarbeiter-Zeitung, Nr. 5 vom 1.2.1<strong>1919</strong>, S. 1.<br />

61 Abelshauser, Umsturz, S. XXIIIf.<br />

62 „Sozialisierung des Bergbaus“, Bergarbeiter-Zeitung, Nr. 5 vom 1.2.<strong>1919</strong>, S. 1.<br />

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