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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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nahmen die „kle<strong>in</strong>en Leute“, was auch heißt kle<strong>in</strong>e Gruppen und Individuen, <strong>in</strong>s<br />

Visier. Gleiches gilt für die Kulturgeschichte, die seit den Neunzigerjahren, <strong>in</strong> gewisser<br />

H<strong>in</strong>sicht zum Missvergnügen vieler Sozialhistoriker, e<strong>in</strong> neuer Trendsetter<br />

wurde. Staatsaktionen erschienen aus der Perspektive dieser methodischen Schulen<br />

für viele Forscher nicht mehr „<strong>in</strong>“ zu se<strong>in</strong>.<br />

Aber e<strong>in</strong>e solche Erklärung lässt manches offen. So darf man etwas salopp formulieren:<br />

<strong>Die</strong> Revolution war ja ke<strong>in</strong>e Staatsaktion, sondern e<strong>in</strong> Aufruhr gegen<br />

den Staat, getragen gerade von den „kle<strong>in</strong>en Leuten“! Hier äußerte sich massenhaft<br />

e<strong>in</strong> neues Selbstbewusstse<strong>in</strong>, das e<strong>in</strong>e neue politische Kultur begründete.<br />

Dem <strong>in</strong>tensiver nachzugehen hätte e<strong>in</strong> lohnendes Ziel se<strong>in</strong> können. Es hätte z. B.<br />

nahegelegen zu untersuchen, wie die Frauen zur Revolution gestanden haben. Das<br />

geschah nicht. <strong>Die</strong> Untersuchungen zur sozialen Lage der Frauen im Krieg und <strong>in</strong><br />

den unruhigen Zeiten von Revolution und früher Republik nehmen die Frauen zumeist<br />

nicht als Akteure, sondern als von den Wirren Betroffene wahr.<br />

Nachdenklich stimmt weiter, dass im Aufstieg der Er<strong>in</strong>nerungskultur und Geschichtspolitik<br />

zu wissenschaftlichen Teildiszipl<strong>in</strong>en mit großer öffentlicher Beachtung<br />

gerade seit der Vere<strong>in</strong>igung von DDR und BRD 1990 die Revolution von<br />

<strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> wie e<strong>in</strong>e arme Waise behandelt wird. <strong>Die</strong> Leser werden sich er<strong>in</strong>nern,<br />

wie <strong>in</strong> den zurückliegenden Jahren relativ oft <strong>in</strong> den Medien vom 9. November <strong>in</strong><br />

der deutschen Geschichte die Rede gewesen ist. Besondere Beachtung fanden die<br />

Pogrom-Nacht vom 9. November 1938 als negativer Fixpunkt und als Contra-<br />

Diktion dazu der Fall der Mauer am 9. November 1989, mit dem der Weg <strong>in</strong> die<br />

Freiheit unumkehrbar gemacht worden sei. Selbst Hitlers Bierkeller-Putsch am 9.<br />

November 1923 ist seit geraumer Zeit häufiger im öffentlichen Gespräch als der<br />

Durchbruch zur Demokratie am 9. November <strong>1918</strong>. 9 Dabei hat das Geschehen,<br />

das mit den anderen drei Er<strong>in</strong>nerungspunkten verbunden ist, e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nere Beziehung<br />

zu den Novemberereignissen von <strong>1918</strong>. Hitlers Coup 1923 wurde möglich,<br />

weil <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> den schlimmsten Fe<strong>in</strong>den der Republik zu viel Spielraum gegeben<br />

wurde. Was diese nutzten, um schließlich die Weimarer Demokratie zu beseitigen<br />

und später zur Vernichtung der deutschen und europäischen Juden überzugehen,<br />

wofür das Pogrom von 1938 das Signalzeichen darstellte. <strong>Die</strong>se drei<br />

Stationen markierten ke<strong>in</strong>en zwangsläufig zu begehenden Weg, aber ihre Zusammenhänge<br />

s<strong>in</strong>d unübersehbar. 10<br />

Auf Geschichtsschreibung wirkt immer Politik e<strong>in</strong>. Auch auf die künftigen Historiker<br />

werden politische Gespräche im Elternhaus, <strong>in</strong> der Schule sowie eigene<br />

Lektüre und, wie heute, vielleicht am stärksten die Massenmedien E<strong>in</strong>fluss ausüben.<br />

Später kommt das eigene Erleben und nicht selten Erleiden von aktueller Politik<br />

h<strong>in</strong>zu. Der für unser Thema so wichtige Historiker Arthur Rosenberg steht<br />

9 E<strong>in</strong> gewisses Gegengewicht bildeten Veranstaltungen, vor allem vom DGB organisiert, zu sogenannten runden<br />

Jahrestagen der Revolution von <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong>, um die Aktualität der damaligen Kämpfe für die Bewältigung<br />

der heutigen Probleme zu zeigen.<br />

10 Siehe dazu den Beitrag von Peter Scherer im vorliegenden Band.<br />

13

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