Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Der Erste Weltkrieg bewirkte vor allem <strong>in</strong> der Residenzstadt Gotha gravierende<br />
strukturelle Veränderungen. Insgesamt wies das Herzogtum Sachsen-Gotha-Coburg<br />
<strong>in</strong> den letzten beiden Kriegsjahren die höchste Produktion pro Kopf an<br />
Kriegsmaterial im gesamten Kaiserreich auf. 29 Hatte <strong>in</strong> Gotha die Zahl der bürgerlichen<br />
Erwerbstätigen bis 1914 zu- und die der Industriearbeiterschaft abgenommen<br />
30 , stieg letztere <strong>in</strong>folge des Ausbaus der Rüstungs<strong>in</strong>dustrie stark an. 31<br />
<strong>Die</strong>se Arbeiterschaft bildete vor Ort die soziale Basis der Unabhängigen Sozialdemokratischen<br />
Partei <strong>Deutschland</strong>s (USPD), die 1917 <strong>in</strong> Gotha von den Gegnern<br />
der sozialdemokratischen Kriegspolitik gegründet worden war.<br />
<strong>Die</strong> politische Grundlage für die L<strong>in</strong>ksentwicklung der Gothaer Arbeiterschaft<br />
war jedoch bereits 1910 mit der E<strong>in</strong>stellung Otto Geithners 32 als Redakteur des<br />
„Volksblattes“ gelegt worden. Durch ihn verfügte die Parteil<strong>in</strong>ke vor Ort über e<strong>in</strong>en<br />
entsprechenden E<strong>in</strong>fluss auf die lokale Parteizeitung. Seit dem Ausbruch des<br />
Ersten Weltkrieges war das „Gothaer Volksblatt“ bis zu se<strong>in</strong>em Verbot im März<br />
1915 e<strong>in</strong> Sprachrohr der <strong>in</strong>nerparteilichen Antikriegsopposition. Geithner nahm<br />
am 5. März 1915 an der Gründung der Gruppe Internationale <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> teil 33 , war<br />
aber aufgrund se<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>berufung an weiterer aktiver Antikriegsarbeit stark geh<strong>in</strong>dert.<br />
Nachhaltiger konnte der auf zentristischer Position stehende Gothaer SPD-<br />
Reichstagsabgeordnete Wilhelm Bock, der am 3. August 1914 <strong>in</strong>tern gegen die<br />
Kriegskredite gestimmt hatte, 34 für die <strong>in</strong>nerparteiliche Opposition wirken. Der<br />
Parteiveteran Bock hatte 1869 zu den Mitbegründern der Eisenacher Partei gehört<br />
und war 1875 aktiv an deren Vere<strong>in</strong>igung mit dem Allgeme<strong>in</strong>en Deutschen Arbeitervere<strong>in</strong><br />
beteiligt. 35 Er übernahm im April 1917 nicht nur die organisatorischen<br />
Vorbereitungen zur Gründung der USPD <strong>in</strong> Gotha, sondern wirkte aktiv am Aufbau<br />
der neuen Partei <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen mit. 36 Unter se<strong>in</strong>er Führung g<strong>in</strong>g die Gothaer<br />
Sozialdemokratie nahezu geschlossen <strong>in</strong> die neue Partei. Sowohl am Aprilstreik<br />
1917 37 , als auch am Januarstreik <strong>1918</strong> 38 war die Gothaer Arbeiterbewegung aktiv<br />
beteiligt. Bock war es auch, der am 9. November <strong>1918</strong> den Herzog von Sachsen-<br />
29 Siehe Buchsbaum, <strong>Die</strong> L<strong>in</strong>ksentwicklung, S. 91.<br />
30 Siehe Matthiesen, Bürgertum und Nationalsozialismus, S. 26.<br />
31 Siehe ebenda, S. 44/45.<br />
32 Siehe Helga Raschke: „In contumiciam” aus der KPD geworfen. Ernst Geithner (1876-1948), <strong>in</strong>: Hesselbarth/Schulz/Weißbecker<br />
(Hrsg.): Gelebte Ideen, S. 177-183; Hermann Weber/Andreas Herbst: Deutsche<br />
Kommunisten. Biographisches Handbuch <strong>1918</strong> bis 1945, Berl<strong>in</strong> 2004, S. 239/240.<br />
33 Siehe Schulze, <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>1918</strong> <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen, S. 24.<br />
34 Siehe Eugen Prager, Geschichte der USPD, Berl<strong>in</strong> 1921, S. 26.<br />
35 Siehe Mario Hesselbarth: Der Großvater des Sozialismus <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen. Wilhelm Bock (1846-1931), <strong>in</strong> Hesselbarth/Schulz/Weißbecker<br />
(Hrsg.): Gelebte Ideen, S. 53-62. In se<strong>in</strong>en Er<strong>in</strong>nerungen machte Bock ke<strong>in</strong>e Angaben<br />
über se<strong>in</strong>e Rolle während der Parteispaltung 1916/17; siehe Bock, Im <strong>Die</strong>nste der Freiheit.<br />
36 Siehe hierzu <strong>in</strong>sgesamt Mario Hesselbarth: Zur Spaltung der thür<strong>in</strong>gischen Sozialdemokratie im Frühjahr<br />
1917, <strong>in</strong>: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, H. II/2008, S. 92-101.<br />
37 Siehe Schulze, <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>1918</strong> <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen, S. 31.<br />
38 <strong>Die</strong> Streikaktion im Januar <strong>1918</strong> wurde von e<strong>in</strong>em Arbeiterrat geleitet, zu dem auch Bock gehörte. Siehe<br />
Buchsbaum, <strong>Die</strong> L<strong>in</strong>ksentwicklung, S. 89-94.<br />
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