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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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kusanhängern, die ohne klare politische L<strong>in</strong>ie an e<strong>in</strong> und demselben Tag versuchen,<br />

e<strong>in</strong>en Kompromiß mit den Sozialpatrioten zu schließen und gleichzeitig die<br />

politische Macht durch e<strong>in</strong>en Putsch an sich zu reißen. Das Fehlen e<strong>in</strong>er eigenen<br />

Massenorganisation führte auch dazu, daß die Kommunisten, anstatt sich auf die<br />

Eroberung der Arbeiterräte zu konzentrieren, ohne jeden Plan nach jeder Möglichkeit<br />

griffen, um die erregte Stimmung der Massen für Aktionen zu nutzen. <strong>Die</strong><br />

Aktionen verliefen ohne klares politisches Ziel, ohne Verständnis dafür, daß es unmöglich<br />

ist, die politische Macht zu erobern, ohne die Mehrheit der Arbeiter h<strong>in</strong>ter<br />

sich zu haben und ohne <strong>in</strong> Gestalt der Arbeiterräte Organe des Kampfes und<br />

der Macht zu haben. In der Theorie verstehen die Führer es, sie äußern diese Ansicht<br />

<strong>in</strong> der Broschüre ‚Was will der Spartakusbund?’ 49 Aber <strong>in</strong> der Praxis war das<br />

nicht der leitende Gedanke ihrer Taktik. Das ist im nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> die Grundtendenz<br />

der Berl<strong>in</strong>er Ereignisse. Sie begannen mit großen Demonstrationen hunderttausender<br />

Arbeiter, <strong>in</strong> denen sich die ganze Enttäuschung der Arbeitermassen entlud.<br />

Aber nach drei Tagen wußten die Massen nicht, was sie auf der Straße eigentlich<br />

sollten. Ich war selbst Zeuge, wie <strong>in</strong> der Redaktion der ‚Roten Fahne’ alte Genossen<br />

händer<strong>in</strong>gend fragten, was sie [die Spartakusführer] denn wollen. Sie wurden mit<br />

leeren Phrasen abgespeist, weil man dort selbst auch nicht wußte, was man wollte.<br />

Sie [die Spartakusführer] hörten e<strong>in</strong>fach auf, zu den Demonstranten auf die Siegesallee<br />

h<strong>in</strong>auszugehen, und die Masse irrte ziellos umher, bis sie sich verlief.“ 50<br />

Ihr immer noch nicht erloschenes Wunschdenken bezeugte Rosa Luxemburg<br />

selbst nach der Niederlage des Aufstands noch, als sie schrieb, die Revolution<br />

siege trotz alledem. In ihrem letzten Artikel vor ihrer Ermordung, geschrieben am<br />

13., erschienen am 14. Januar, sprach sie vom „Endsieg“ und davon, dass er „nur<br />

durch e<strong>in</strong>e Reihe von ‚Niederlagen’ vorbereitet werden kann!“ 51 Wohl blieb die<br />

<strong>Novemberrevolution</strong> tatsächlich h<strong>in</strong>ter den Erwartungen vieler zurück, anders als<br />

es (um Schillers Distichon „Der Zeitpunkt“ zu zitieren) „der große Moment“ gestattet<br />

hätte und wie es historisch erforderlich gewesen wäre. In ihrer Rede vom<br />

März 1923 „Der Kampf gegen den Faschismus“ legte Clara Zetk<strong>in</strong> die Ursprünge<br />

und Wesenszüge des damaligen Faschismus dar, der <strong>in</strong> Italien bereits e<strong>in</strong> Jahr an der<br />

Macht war. Ihr erschien als e<strong>in</strong>e „Wurzel“ des Faschismus „das Stocken, der schleppende<br />

Gang der Weltrevolution <strong>in</strong>folge des Verrates der reformistischen Führer der<br />

Arbeiterbewegung“. „Historisch, objektiv betrachtet, kommt der Faschismus vielmehr<br />

als Strafe, weil das Proletariat nicht die Revolution, die <strong>in</strong> Rußland e<strong>in</strong>geleitet<br />

worden, weitergeführt und weitergetrieben hat.“ 52 <strong>Die</strong> Geschichte gab ihr Recht:<br />

Ohne das Steckenbleiben der <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> hätte der Faschismus<br />

sich nicht aufschw<strong>in</strong>gen können bis <strong>in</strong>s Zentrum der Macht. 53<br />

49 Von Rosa Luxemburg entworfen, auf dem Gründungsparteitag der KPD als Grundsatzprogramm angenommen.<br />

50 Zit. nach Ottokar Luban: Karl Radek im Januaraufstand <strong>1919</strong> <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Drei Dokumente (Manuskript), S. 3.<br />

51 Rosa Luxemburg, GW, Bd. 4, S. 534.<br />

52 Clara Zetk<strong>in</strong>: Ausgewählte Reden und Schriften, Bd. 2, Berl<strong>in</strong> 1960, S. 297, 293.<br />

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