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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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<strong>in</strong>haltete, formuliert. <strong>Die</strong> politischen Forderungen sollten nach Auffassung der<br />

Soldaten von der lokalen Sozialdemokratie und der SPD-Landtagsfraktion ausgearbeitet<br />

werden. Baudert führte die Soldaten wie abgesprochen am Abend friedlich<br />

durch die Stadt zum Schlossplatz und hielt e<strong>in</strong>e kurze Ansprache, <strong>in</strong> der er die<br />

demokratische Republik forderte. Nur mit Mühe gelang es ihm, e<strong>in</strong> sofortiges<br />

Losschlagen der Soldaten und damit den Sturm auf das Schloss zu verh<strong>in</strong>dern. Der<br />

Garnisonskommandeur erklärte sich zur Annahme der Soldatenforderungen bereit<br />

und veranlasste die Freilassung der wegen Diszipl<strong>in</strong>vergehen Inhaftierten. Aber<br />

damit gab sich der Soldatenrat schon nicht mehr zufrieden. Post, Bahnhof und Telegrafenamt<br />

wurden besetzt, und die Soldaten übernahmen die politische und militärische<br />

Macht <strong>in</strong> der Stadt. E<strong>in</strong>en Tag später bildeten die Partei- und Gewerkschaftsleitung<br />

e<strong>in</strong>en Arbeiterrat, zu dessen schnellster Konstituierung sie nach<br />

Bauderts eigener Darstellung „von den Allerradikalsten“ gedrängt werden mussten.<br />

Am gleichen Tag dankte der Großherzog nach e<strong>in</strong>er Aufforderung durch den<br />

Arbeiter- und Soldatenrat ab, der sich selbst zunächst lediglich als Provisorium<br />

betrachtete. Er stellte die Wahl e<strong>in</strong>er konstituierenden Versammlung für das Weimarische<br />

Land aufgrund gleichen Wahlrechts zum schnellst möglichen Zeitpunkt<br />

<strong>in</strong> Aussicht. <strong>Die</strong>se sollte über die weitere politische Ausgestaltung des Landes beschließen.<br />

In vielen thür<strong>in</strong>gischen Städten verlief die Revolution nach e<strong>in</strong>em ähnlichen<br />

Muster wie <strong>in</strong> Weimar. 44 <strong>Die</strong> Soldaten verweigerten den Gehorsam, wählten Soldatenräte<br />

und nahmen Kontakt zur lokalen sozialdemokratischen Parteileitung<br />

auf. 45 Angestoßen von den Soldaten bildeten sich vielerorts Arbeiterräte, die sich<br />

dann mit den Soldatenräten zu geme<strong>in</strong>samen Organen vere<strong>in</strong>igten. Von deren<br />

Agieren h<strong>in</strong>g dann der weitere Verlauf ab, wobei sich nach e<strong>in</strong>em groben Raster<br />

zwei Entwicklungsl<strong>in</strong>ien unterscheiden lassen.<br />

Insbesondere dort, wo die Mehrheitssozialdemokraten dom<strong>in</strong>ierten, gestaltete<br />

sich die Revolution als politische Umwälzung, die schnell <strong>in</strong> die Herstellung bürgerlich-parlamentarischer<br />

Verhältnisse mündete. <strong>Die</strong> Arbeiter- und Soldatenräte<br />

bekamen hier nur wenig oder wie <strong>in</strong> Sachsen-Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen gar ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss. <strong>Die</strong><br />

bestehenden Landtage leiteten mit entsprechenden Wahlrechts- und Verfassungsänderungen<br />

die politischen Veränderungen selbst e<strong>in</strong>.<br />

44 Siehe hierzu im e<strong>in</strong>zelnen Häupel, <strong>Die</strong> Gründung des Landes Thür<strong>in</strong>gen, S. 38-53; Schulze, <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong><br />

<strong>1918</strong> <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen, S. 60-91.<br />

45 „Ich befand mich zur Zeit der <strong>Novemberrevolution</strong> als Vizefeldwebel und Flugzeugführer bei der Fea 3 (Flieger-Ersatzabteilung<br />

3) <strong>in</strong> Gotha. Am 8. November <strong>1918</strong> war vormittags e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Kleiderappell angesetzt,<br />

der von e<strong>in</strong>em alten Tattergreis von General, der eigens aus Erfurt kam, abgehalten wurde. Der Appell<br />

konnte nicht beendet werden, da aus den Reihen der Kameraden Rufe laut wurden wie: Alter Weihnachtsmann<br />

geh nach Hause, worauf sich die angetretene Menge spontan auflöste. <strong>Die</strong> diensthabenden Offiziere und e<strong>in</strong>ige<br />

Unteroffiziere verdrückten sich lautlos. Dann wurde e<strong>in</strong> Soldatenrat gewählt.“ Augenzeugenbericht des<br />

Soldaten Willi Boll. In: Ewald Buchsbaum, <strong>Die</strong> L<strong>in</strong>ksentwicklung, S. 102. Bereits Mitte Oktober <strong>1918</strong> hatten<br />

die Gothaer Behörden gemeldet, dass die sich <strong>in</strong> der Stadt bef<strong>in</strong>dlichen Truppen diszipl<strong>in</strong>los und nicht mehr<br />

gewillt seien, Soldaten im S<strong>in</strong>ne militärischer Überlieferung zu se<strong>in</strong>. Siehe ebenda, S. 100.<br />

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