Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Hermann Liebmanns an, den Rat der Stadt zu ersuchen, „die notwendigen Schritte<br />
für die Aufhebung des Belagerungszustandes bei der Regierung zu unternehmen“.<br />
54<br />
Am selben Tag, als die Stadtverordnetenversammlung die Aufhebung des Belagerungszustandes<br />
forderte, erhielt General Maercker, Kommandeur des Landesjägerkorps,<br />
welches zuvor unter anderem auch <strong>in</strong> Halle e<strong>in</strong>gesetzt worden war,<br />
von Reichswehrm<strong>in</strong>ister Noske den Befehl zur militärischen Besetzung Leipzigs.<br />
Wie bei Noske üblich, war der Befehl <strong>in</strong> nicht gerade zimperlichen Worten abgefasst:<br />
„[...] 2. a) <strong>Die</strong> volle Regierungsgewalt der sächsischen Regierung ist wiederherzustellen<br />
und auf die Dauer zu sichern. b) <strong>Die</strong> Sicherheitstruppen, welche<br />
sich auf unabhängig-spartakistische Seite und regierungsfe<strong>in</strong>dlich gestellt haben,<br />
s<strong>in</strong>d zu entwaffnen und aufzulösen. [...] 4b) Sollte <strong>in</strong> Leipzig bewaffneter Widerstand<br />
geleistet werden, so ist er rücksichtslos zu brechen. [...] 4d) <strong>Die</strong> Leipziger<br />
Volkszeitung ist bis auf weiteres zu verbieten....“ 55 Neben der LVZ waren die kommunistischen<br />
Blätter zu verbieten, sogenannte Rädelsführer – e<strong>in</strong> weit auslegbarer<br />
Begriff – waren zu verhaften. Wie sich später herausstellen sollte, war zum<strong>in</strong>dest<br />
der Oberbürgermeister Dr. Rothe über die Pläne der militärischen Besetzung<br />
der Stadt <strong>in</strong>formiert. 56 Als Verb<strong>in</strong>dungsmann der Regierung wurde zu Maercker<br />
der Leipziger MSPD-Funktionär Otto Mylau entsandt, der sich als Scharfmacher<br />
betätigte und e<strong>in</strong>en ausgesprochen schlechten Ruf bei der Leipziger Arbeiterschaft<br />
erwarb. Er verließ später die Stadt, nachdem er aus der örtlichen Gewerkschaft<br />
ausgeschlossen worden war. 57<br />
Am 11. Mai <strong>1919</strong> war es dann soweit. Für den Leipziger Arbeiterrat, die USPD-<br />
Parteileitung und die Mehrzahl der Stadtverordneten völlig überraschend, rückten<br />
Maerckers zwei Divisionen <strong>in</strong> Leipzig e<strong>in</strong>. Vere<strong>in</strong>zelte Warnungen <strong>in</strong> den Tagen<br />
zuvor waren nicht ernst genommen worden. 58 Der E<strong>in</strong>marsch vollzog sich ohne<br />
militärische Zusammenstöße, die Sicherheitswehr des Arbeiterrates ließ sich zumeist<br />
ohne Widerstand entwaffnen. Es war überaus deutlich, dass Widerstand gegen<br />
e<strong>in</strong>e derartige Übermacht nur zu s<strong>in</strong>nlosem Blutvergießen führen konnte, und<br />
es muss als klares Verdienst des Arbeiterrates gewertet werden, dass er nicht zu<br />
derlei Aktionen unüberlegt aufrief. Maercker löste mit H<strong>in</strong>weis auf dessen „undemokratische<br />
Zusammensetzung“ den Arbeiterrat auf, <strong>in</strong> den Folgetagen setzte e<strong>in</strong>e<br />
Verhaftungswelle gegen dessen Angehörige e<strong>in</strong>. Unter anderem wurden die<br />
führenden Funktionäre <strong>Die</strong>tze, Schön<strong>in</strong>g und Schroers festgenommen, man brach<br />
<strong>in</strong> die Wohnung Hermann Liebmanns e<strong>in</strong> und holte ihn zum Verhör und suchte<br />
54 StadtAL, Kapitelakten 72, Nr. 74, Bl.10.<br />
55 Zit. nach Maercker, Vom Kaiserheer, S. 243f.<br />
56 Siehe Thiem, Der Oberbürgermeister, S. 313.<br />
57 „Damit [mit der Räumung der Stadt Ende Juli] war die Aktion beendet, <strong>in</strong> der die Rechtssozialisten mit ihrem<br />
Regierungsbeauftragten Mylau e<strong>in</strong>e so außerordentlich schimpfliche Rolle spielten. Mylau, der ehemalige<br />
Arbeitersekretär, konnte sich vor der Leipziger Arbeiterschaft nicht sehen lassen, er floh <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e sächsische<br />
Stadt als Stadtrat.“ Zit. nach Liebmann, Zweie<strong>in</strong>halb Jahre, S. 66.<br />
58 Siehe etwa entsprechende H<strong>in</strong>weise <strong>in</strong> der LVZ vom 8. und 9. Mai <strong>1919</strong>.<br />
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