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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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abhängig, die kapitalistische Produktionsweise durch e<strong>in</strong>e eigene Organisation der<br />

Produktion zu ersetzen. Dennoch wäre, so Kautsky, e<strong>in</strong> solcher Sieg des Proletariats<br />

unter den Bed<strong>in</strong>gungen der Übergangswirtschaft wegen der schwierigen<br />

Nachkriegsbed<strong>in</strong>gungen nicht wünschenswert.<br />

Das Spartakusprogramm entsprach dem Len<strong>in</strong>schen Sozialismus-Projekt: Rätemacht<br />

und Enteignung des Großgrundbesitzes, der Großbanken und Groß<strong>in</strong>dustrie<br />

bei Fortexistenz e<strong>in</strong>es privatkapitalistischen Sektors. 17 <strong>Die</strong> Dekretierung der<br />

Sozialisierung der Gesamtwirtschaft lehnte Rosa Luxemburg allerd<strong>in</strong>gs ab. 18 Das<br />

wollte sie der konkreten Ause<strong>in</strong>andersetzung der Belegschaften mit den Unternehmern<br />

<strong>in</strong> den Betrieben und Kommunen überlassen.<br />

Für die der Revolution folgenden Ause<strong>in</strong>andersetzungen um den Inhalt der Sozialisierung<br />

spielte es ke<strong>in</strong>e Rolle, dass die verschiedenen Denkrichtungen unter<br />

Sozialisierung Besteuerungsvarianten, bürokratisch reglementierte Zwangswirtschaft,<br />

Arbeiterkontrolle, Mitbestimmung oder syndikalistisch geführte Kommune-Betriebe<br />

verstanden. Auch die von den beiden Gewerkschaftern Richard<br />

Müller 19 und Emil Barth 20 entwickelten Organisationspr<strong>in</strong>zipien e<strong>in</strong>er sozialisierten,<br />

von Räten kontrollierten Wirtschaft und entsprechende Entschädigungsmodalitäten<br />

für die Unternehmer s<strong>in</strong>d hier von untergeordneter Bedeutung.<br />

<strong>Die</strong> <strong>in</strong> der Folgezeit entstandene Sozialisierungsliteratur entwickelte wichtige<br />

Gedanken zum Thema. In diesem Zusammenhang wurde <strong>in</strong>sbesondere zwischen<br />

kurzfristiger Demokratisierung der Produktion und langfristiger Hebung der sozialen<br />

Lage der Arbeiterschaft unterschieden. 21 <strong>Die</strong> Diskussionen <strong>in</strong> ihrer Gesamtheit<br />

beweisen nur, dass e<strong>in</strong>e kurzfristige Bewältigung des Themas nicht möglich<br />

war. Wesentlich ist deshalb alle<strong>in</strong> die Thematisierung des Problems. Entscheidend<br />

ist, dass der groß<strong>in</strong>dustrielle Kapitalismus selbst mit dem Staatsmonopol und dem<br />

Kriegssozialismus tatsächlich neue Wirtschaftsstrukturen hervorgebracht hatte,<br />

die ihre Lebensfähigkeit <strong>in</strong> der Praxis des Krieges bereits bewiesen hatten. Wenn<br />

auf dieser Grundlage das „Archiv für die Sozialisierung…“ am 15.1.<strong>1919</strong> me<strong>in</strong>te,<br />

Kriegswirtschaft sei ke<strong>in</strong> Sozialismus, „das ist der private Kapitalismus <strong>in</strong> der<br />

Zwangsjacke des Staats. <strong>Die</strong> soziale Wirtschaft erstrebt ke<strong>in</strong>e Verewigung der<br />

Kriegszwangswirtschaft; sie erstrebt aber noch weniger die Wiederherstellung des<br />

freien Spiels der Kräfte“ 22 , so war damit e<strong>in</strong>e Idee <strong>in</strong> die Welt gesetzt, die auf die<br />

politische Beherrschung der Ökonomie abzielte, um den <strong>in</strong>neren und äußeren<br />

Krieg von Gesellschaften für immer zu beenden. Wenn somit am Ende des Krieges<br />

e<strong>in</strong>erseits der sozialdemokratische Reformflügel und die L<strong>in</strong>ke <strong>in</strong> Österreich<br />

17 Siehe Rosa Luxemburg: Was will der Spartakusbund?, <strong>in</strong>: <strong>Die</strong>s., Gesammelte Werke (GW), Bd. 4, S. 447f.<br />

18 Siehe ebenda, S. 444.<br />

19 Siehe Ralf Hoffrogge: Richard Müller. Der Mann h<strong>in</strong>ter der <strong>Novemberrevolution</strong>, Berl<strong>in</strong> 2008, S. 108-116.<br />

20 Siehe Emil Barth: Sozialisierung. Ihre Notwendigkeit, ihre Möglichkeit, Neukölln 1920.<br />

21 Siehe Alfred Amonn: <strong>Die</strong> Hauptprobleme der Sozialisierung, Leipzig 1920; Franz Eulenberg: Arten und<br />

Stufen der Sozialisierung, München und Leipzig, 1920.<br />

22 Soziale Wirtschaft. Archiv für die Sozialisierung des gesamten Wirtschaftslebens, Hrsg: Dr. H.F. Geiler,<br />

Zehlendorf, 1.Jg., Nr. 1, 15.1.<strong>1919</strong>, S. 2.<br />

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