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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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aus eigenem Antrieb zu Massenbewegungen zusammen. <strong>Die</strong> E<strong>in</strong>heit der Arbeiterbewegung<br />

vollzog sich auf Druck von „unten“. So kam es sowohl <strong>1919</strong> als auch<br />

1920 im Ruhrgebiet zunächst zu e<strong>in</strong>er wenn auch nur vordergründig stabilen E<strong>in</strong>heit<br />

zwischen den Arbeiter- und Soldatenräten, den drei Arbeiterparteien und dem<br />

ADGB bzw. se<strong>in</strong>er Vorgängerverbände (e<strong>in</strong>schließlich des Alten Verbands): Sie<br />

versuchten, die Proteste und die Sozialisierungsdebatte des Frühjahrs <strong>1919</strong> zu moderieren,<br />

und verurteilten 1920 geme<strong>in</strong>sam den Kapp-Putsch. Doch die Fronten<br />

zwischen den Arbeiterorganisationen verhärteten sich, sobald es galt, sich auf den<br />

weiteren Weg zu e<strong>in</strong>igen.<br />

Große Teile der Ruhrarbeiterschaft wandten sich schon im Verlauf der zweiten<br />

Revolutionsphase von den sozialdemokratischen Organisationen ab, deren<br />

Führungen ihrer Ansicht nach die Ziele e<strong>in</strong>er wahrhaftig sozialistischen Revolution<br />

verraten hätten. Zwischen Februar und April <strong>1919</strong> traten die scharfen Gegensätze<br />

zwischen streikenden Arbeitern auf der e<strong>in</strong>en sowie der SPD-Spitze und<br />

der Führung des Alten Verbandes auf der anderen Seite massiv hervor. In der Sozialisierungsdebatte<br />

wurden Bruchl<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung durch den Konflikt<br />

zwischen den Anhängern des Essener Modells und den Akteuren der SPD<br />

und des Alten Verbandes konturiert. Erstgenannte beabsichtigten, die Sozialisierung<br />

des Kohlenbergbaus über e<strong>in</strong>e direkt-demokratische Räteorganisation zu etablieren.<br />

Letztgenannte verschleppten zunächst tief greifende ordnungspolitische<br />

Entscheidungen und implantierten sodann Ansätze e<strong>in</strong>er „geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen“<br />

Ordnung, die die herrschenden Eigentumsverhältnisse im Kohlenbergbau<br />

und darüber h<strong>in</strong>aus so gut wie gar nicht antastete. Stattdessen drangen Mehrheitssozialdemokraten<br />

und Bergarbeitergewerkschaft auf die „soziale und wirtschaftliche<br />

Demokratisierung des Kapitalismus“ im Zeichen der Sozialpartnerschaft, wie<br />

sie im St<strong>in</strong>nes-Legien-Abkommen vom November <strong>1918</strong> angelegt war. <strong>Die</strong> Spaltung<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Arbeiterbewegung, die im Ruhrgebiet durch den Konsens der<br />

Parteien <strong>1919</strong> und 1920 zunächst verh<strong>in</strong>dert werden konnte, wurde seither zu e<strong>in</strong>er<br />

prägenden Erfahrung für die Ruhrarbeiterschaft. <strong>Die</strong> Versuche, sozialistische<br />

Konzeptionen <strong>in</strong> Staat und Gesellschaft zu verankern, scheiterten nicht zuletzt an<br />

den Differenzen <strong>in</strong> der Arbeiterbewegung. <strong>Die</strong> Wut und die Empörung der Arbeiter<br />

über die „verratene Revolution“ entluden sich schließlich mit aller Macht im<br />

Ruhrkampf. <strong>Die</strong> Herausbildung der Roten Ruhr Armee aus dem Inneren der Arbeiterschaft<br />

ist e<strong>in</strong>zigartig. In ihr versammelten sich Menschen verschiedener<br />

Couleur, ohne Rücksicht auf die Parteizugehörigkeit. Den bürgerkriegsähnlichen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen mit dem Militär waren viele zum Opfer gefallen: „Blut ist<br />

geflossen, viel Menschenblut!“ 123<br />

Im Ruhrgebiet fand die gesamtdeutsche Polarisierung während der revolutionären<br />

Nachkriegsphase ihre regionalspezifische Ausprägung. In weiten Kreisen<br />

der Arbeiterschaft potenzierte sich – nicht nur im Ruhrgebiet – nach Beendigung<br />

123 Bergarbeiter-Zeitung, Nr. 13 vom 27.3.1920, S. 1.<br />

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