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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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tag der <strong>Novemberrevolution</strong> erarbeitet. Es handelte sich dabei zumeist um quellenmäßig<br />

gut fundierte Arbeiten, von denen auch die westdeutsche Forschung<br />

profitierte. Me<strong>in</strong>ungsstreit, allerd<strong>in</strong>gs unter dem abschirmenden Dach, das die<br />

Parteioberen errichteten, blieb aber nicht aus. Er<strong>in</strong>nert sei an die Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />

über den Charakter der <strong>Novemberrevolution</strong>. Galt diese unter den Kommunisten,<br />

aber auch anderen Sozialisten <strong>in</strong> der Weimarer Republik und bis <strong>in</strong> das<br />

erste Jahrzehnt der Nachkriegszeit als letztlich fehlgeschlagene sozialistische oder<br />

auch bloße bürgerliche Revolution, so legten Thesen der Parteiführung 1958 die<br />

Kompromissformel fest: <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> war e<strong>in</strong>e bürgerliche mit teilweise<br />

proletarischen Mitteln durchgefochtene Revolution. 17 An diese gewissermaßen<br />

kanonische Charakterbestimmung hatten sich alle, selbst der bekannte sowjetische<br />

Historiker Jakov Drabk<strong>in</strong>, zu halten. 18<br />

<strong>Die</strong>se Diskussion mutet heute auf den ersten Blick skurril an. Sehen wir genauer<br />

h<strong>in</strong>, verrät der Streit um den Charakter der Revolution die Unsicherheit oder<br />

doch Unentschiedenheit bei der Beantwortung der Frage, wie stark der kommunistische<br />

respektive radikalsozialistische Faktor <strong>in</strong> der Revolution gewesen sei.<br />

<strong>Die</strong> Beantwortung dieser Frage war die Voraussetzung für die Bewertung der<br />

Perspektive und der Langzeitfolgen der <strong>Novemberrevolution</strong>. <strong>Die</strong> SED-Führung<br />

glaubte, mit der Kompromissformel die Herrschaft der Arbeiterklasse, die sich <strong>in</strong><br />

der Partei verkörpern sollte, historisch legitimieren zu können. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>bürgerlich-demokratischen<br />

Kräfte – den Blockparteien wurde nun dieser Klassen<strong>in</strong>halt<br />

zuerkannt – könnten dieser Führung vertrauen, auch aus den Lehren der Revolution<br />

heraus. Denn das wichtigste Ergebnis der Revolution sei <strong>in</strong> der Gründung der<br />

KPD zu sehen, ohne deren Kampf gegen Faschismus und Krieg die Gründung der<br />

DDR nicht möglich gewesen wäre. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>bürgerlichen Kräfte könnten sich also<br />

der Führung der SED mit gutem Gewissen anvertrauen.<br />

Für e<strong>in</strong>e kurze Zeit schien der 1974 offiziell e<strong>in</strong>geführte Term<strong>in</strong>us „antiimperialistische<br />

Volksrevolution“ 19 die Monotonie <strong>in</strong> der Forschungsdiskussion aufzubrechen.<br />

Es ist nicht wirklich geklärt, woher der Impuls für diesen Rückgriff auf<br />

den von Marx verwendeten Begriff kam. Konsequenzen, sprich mehr Freiraum für<br />

alternative Sichten, erwuchsen daraus nicht, e<strong>in</strong> Begriff wurde gegen e<strong>in</strong>en anderen<br />

ausgetauscht. 20<br />

17 Siehe <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> (Thesen anlässlich des 40. Jahrestages), Berl<strong>in</strong> 1958, S. 34f.<br />

Siehe dazu Mario Keßler: <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>in</strong> der Geschichtswissenschaft der DDR: <strong>Die</strong> Kontroversen<br />

des Jahres 1958 und ihre Folgen im <strong>in</strong>ternationalen Kontext, <strong>in</strong>: JahrBuch für Forschungen zur Geschichte<br />

der Arbeiterbewegung, H. III/2008, S. 38-58.<br />

18 Siehe Jakov Drabk<strong>in</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>1918</strong> <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>, Berl<strong>in</strong> 1968. Guten Bekannten D.s zufolge<br />

hatte dieser s<strong>in</strong>niert: Er sei eigentlich der Me<strong>in</strong>ung gewesen, die <strong>Novemberrevolution</strong> müsste als gescheiterte<br />

sozialistische Revolution angesehen werden; aber wenn die deutschen Genossen von e<strong>in</strong>er bürgerlich-demokratischen<br />

Revolution sprechen, dann möge es so se<strong>in</strong>.<br />

19 Siehe Klassenkampf, Tradition, Sozialismus. Von den Anfängen der Geschichte des deutschen Volkes bis zur<br />

Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft <strong>in</strong> der Deutschen Demokratischen Republik. Grundriß,<br />

Berl<strong>in</strong> 1974, S. 388.<br />

20 So auch die Schlussfolgerung bei John, Bild der <strong>Novemberrevolution</strong>, S. 78.<br />

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