Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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RALF HOFFROGGE<br />
Räteaktivisten <strong>in</strong> der USPD: Richard Müller und die<br />
Revolutionären Obleute <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>er Betrieben 1<br />
Nach Beg<strong>in</strong>n des ersten Weltkrieges bildete sich nicht nur <strong>in</strong>nerhalb der sozialdemokratischen<br />
Partei und ihrer Reichstagsfraktion Widerstand gegen den Krieg und<br />
die Politik des „Burgfriedens“. Auch <strong>in</strong> der Gewerkschaftsbewegung formierte<br />
sich e<strong>in</strong>e schlagkräftige Opposition. Ausgehend von Berl<strong>in</strong> entstand mit dem<br />
Netzwerk der „Revolutionären Obleute“ e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>flussreiche Untergrundorganisation,<br />
die letztendlich den Sturz der Monarchie entscheidend mit vorantrieb. Zusammen<br />
mit der Spartakusgruppe bildeten die Obleute seit 1917 den l<strong>in</strong>ken Flügel<br />
der USPD. Im Gegensatz zu den Anhängern Liebknechts und Luxemburgs<br />
s<strong>in</strong>d jedoch ihre Aktivitäten im Geschichtsbewusstse<strong>in</strong> der Öffentlichkeit nicht<br />
präsent, und auch von Historikern und Historiker<strong>in</strong>nen wurden die Obleute bisher<br />
kaum <strong>in</strong> ihrer Bedeutung gewürdigt. 2<br />
<strong>Die</strong> Revolutionären Obleute entstanden aus der Berl<strong>in</strong>er Branchengruppe der<br />
Dreher <strong>in</strong>nerhalb des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes (DMV). Branchenleiter<br />
dieser Berufsgruppe war seit 1914 der Metallarbeiter Richard Müller, unter dessen<br />
Leitung sich die Berl<strong>in</strong>er Dreher seit Beg<strong>in</strong>n des Krieges der Burgfriedenspolitik<br />
der Gewerkschaften widersetzten und wilde Streiks und Lohnbewegungen<br />
durchführten. Ihre Stellung als qualifizierte Facharbeiter verlieh den Drehern e<strong>in</strong>e<br />
starke Verhandlungsposition; daher konnten sie nicht nur eigene Forderungen<br />
durchsetzen, sondern auch für organisatorisch schwächere Arbeitergruppen und<br />
vor allem die Arbeiter<strong>in</strong>nen Zugeständnisse erreichen. 3<br />
1 <strong>Die</strong>ser Beitrag ist die überarbeitete Version e<strong>in</strong>es gleichnamigen Aufsatzes, der im Heft I/2008 des JahrBuch<br />
für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung erschien - <strong>in</strong>sbesondere am Schluss s<strong>in</strong>d aufgrund<br />
neuer Quellenfunde weitere Informationen h<strong>in</strong>zugekommen. Beide Versionen basieren auf me<strong>in</strong>en Forschungen<br />
zur Biographie Richard Müllers, die mittlerweile als Monographie vorliegt: Ralf Hoffrogge: Richard Müller<br />
- Der Mann h<strong>in</strong>ter der <strong>Novemberrevolution</strong>, Berl<strong>in</strong> 2008.<br />
2 Ausnahmen s<strong>in</strong>d u. a. die längere Untersuchung von Erw<strong>in</strong> W<strong>in</strong>kler: <strong>Die</strong> Bewegung der revolutionären Obleute<br />
im ersten Weltkrieg. Entstehung und Entwicklung bis 1917, Dissertation, Humboldt Universität zu Berl<strong>in</strong><br />
1964; Ders. : <strong>Die</strong> Berl<strong>in</strong>er Obleutebewegung im Jahre 1916, <strong>in</strong>: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft,<br />
Berl<strong>in</strong>, 16 (1968), S. 1422-1435; e<strong>in</strong> Unterkapitel bei Peter von Oertzen: Betriebsräte <strong>in</strong> der <strong>Novemberrevolution</strong>,<br />
Bonn-Bad Godesberg 1976, S. 71ff; sowie der Kurzüberblick von Bodo Hildebrand: <strong>Die</strong> Revolutionären<br />
Obleute – Keimzelle des Rätesystems im ersten Weltkrieg, <strong>in</strong> Jörn Garber/Hanno Schmitt: <strong>Die</strong> Bürgerliche<br />
Gesellschaft zwischen Demokratie und Diktatur, Marburg 1985, S. 134-145. Zur Rätetheorie der<br />
Obleute siehe auch Guenter Hottmann: <strong>Die</strong> Rätekonzeptionen der revolutionären Obleute und der L<strong>in</strong>ks-<br />
(bzw. Räte-) Kommunisten <strong>in</strong> der <strong>Novemberrevolution</strong>. E<strong>in</strong> Vergleich (unter E<strong>in</strong>schluss der Genese der Rätekonzeptionen),<br />
Examensarbeit, Gött<strong>in</strong>gen 1980.<br />
3 Siehe Richard Müller: Vom Kaiserreich zur Republik, Wien 1924, S. 94. <strong>Die</strong> organisatorisch schwächere Position<br />
von Frauen war jedoch nicht naturgegeben, sondern beruhte darauf, dass die Gewerkschaften strukturell<br />
am Modell des männlichen Ernährers ausgerichtet waren, Frauenarbeit wurde oft nur als „Zuverdienst“<br />
oder Ausnahmeersche<strong>in</strong>ung gesehen.<br />
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