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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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satorische Strukturen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg anknüpfen. Dem „kometenhaften<br />

Aufstieg“ der Bewegung folgte aber e<strong>in</strong>e ebenso rasche Phase der<br />

Zerrüttung und Aufsplitterung. 75<br />

Der revolutionäre Syndikalismus setzte auf direkte Aktion, stützte sich auf e<strong>in</strong>e<br />

dezentrale Organisation <strong>in</strong> den Betrieben und postulierte mit sozialrevolutionärer<br />

Emphase den Umbau des Kapitalismus. Damit konnte er antibürokratische Impulse<br />

und die radikale Kritik am Verlauf der Revolution aus Teilen der Ruhrbergarbeiterschaft<br />

aufnehmen, wodurch die Region bis 1920 zu e<strong>in</strong>er Hochburg der<br />

Bewegung avancierte. <strong>Die</strong> o.g. spezifischen sozialgeschichtlichen Strukturen des<br />

Bergbaus mit se<strong>in</strong>en „versammlungsdemokratischen Traditionen und ständischen<br />

Berufsvere<strong>in</strong>igungen“ ließ die Bergarbeiterschaft zur hauptsächlichen Trägergruppe<br />

des Anarcho-Syndikalismus werden. 76 Weitere Trägergruppen des Syndikalismus<br />

waren zweitens vom sozialen Abstieg bedrohte Handwerker gewesen,<br />

drittens der „Hamborner Typus“ des mobilen Arbeiters und viertens Arbeiter, die<br />

durch den Weltkrieg radikalisiert worden waren.<br />

Nach dem Abflauen des zweiten Generalstreiks und der Zerschlagung der „Allgeme<strong>in</strong>en<br />

Bergarbeiter-Union“ gelang im September die Zusammenführung verschiedener<br />

syndikalistischer und l<strong>in</strong>ksextremer Strömungen <strong>in</strong> der „Freien Arbeiter-Union/Syndikalisten“,<br />

die den organisatorischen Kern der „Freien Arbeiter-<br />

Union <strong>Deutschland</strong>s (Syndikalisten)“ (FAUD) mit ihren über 110.000 Mitgliedern<br />

(Dezember <strong>1919</strong>) bildete. Auch wenn die Syndikalisten noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>flussreiche<br />

Rolle im Ruhrkampf spielen sollten, so zerfiel die Bewegung doch ziemlich<br />

rasch, nachdem die dritte Revolutionswelle im April 1920 e<strong>in</strong> Ende gefunden<br />

hatte und sich <strong>in</strong> den Folgejahren e<strong>in</strong>e Periode relativer <strong>in</strong>nenpolitischer Stabilität<br />

abzuzeichnen begann.<br />

Für den Niedergang des Syndikalismus und die Entradikalisierung der Ruhrarbeiterschaft<br />

kann e<strong>in</strong> ganzes Bündel an Ursachen identifiziert werden: Neben exogenen<br />

Wirkungsfaktoren, wie der abnehmenden Kohäsionskraft proletarischer<br />

Milieuzusammenhänge <strong>in</strong> den 1920er Jahren, machten sich <strong>in</strong>nerhalb der Bewegung<br />

Zerrüttungsersche<strong>in</strong>ungen breit, die sich etwa <strong>in</strong> der Abspaltung parteikommunistisch<br />

orientierter Kräfte äußerten. Zweitens war die kulturelle B<strong>in</strong>dekraft<br />

der Bewegung durchgehend schwach geblieben, denn, wie Jenko betont, „spielte<br />

die Rezeption syndikalistischer Theorien (…) an der Basis offensichtlich e<strong>in</strong>e allenfalls<br />

sekundäre oder sogar überhaupt ke<strong>in</strong>e Rolle“. 77 Drittens g<strong>in</strong>g der fortscheitende<br />

Vertrauensverslust der Arbeiterorganisationen, spätestens mit der Abkehr<br />

vom Achtstundentag 1923 e<strong>in</strong>geleitet, auch zu Lasten der FAUD.<br />

75 Siehe Abelshauser, Umsturz, S. XXXI-XXXIV; Jenko, Anarcho-Syndikalismus; Gesau, Syndikalismus;<br />

Schönhoven, Gewerkschaften, S. 128.<br />

76 Siehe Jenko, Anarcho-Syndikalismus, S. 21-23; Tenfelde, Schichtung, S. 210-212.<br />

77 Jenko, Anarcho-Syndikalismus, S. 18-20.<br />

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