Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Bei Ersterem zeigt sich der Mangel an Kenntnissen <strong>in</strong> der Militärgeschichte,<br />
der <strong>in</strong> den meisten Darstellungen über die Revolution zu erkennen ist. Logistische<br />
Unternehmen wie Aufmarsch und Rückführung werden von den militärischen Stäben<br />
<strong>in</strong> enger Zusammenarbeit mit zivilen Fachleuten vorbereitet und durchgeführt.<br />
Im Krieg waren für diese Zusammenarbeit enge Netzwerke entstanden. <strong>Die</strong><br />
daran direkt beteiligten Militärfachleute waren zumeist Offiziere der unteren bis<br />
mittleren Ebene. Von diesen militärischen Fachleuten wären genügend zu gew<strong>in</strong>nen<br />
gewesen. Das Beispiel Österreich, dessen Lage mit der <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> vergleichbar<br />
war, hat das bewiesen. 48 Nach e<strong>in</strong>em zunächst chaotischen Beg<strong>in</strong>n verlief<br />
die Rückführung nicht schlechter als <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>.<br />
Noch weniger stichhaltig ist der zweite E<strong>in</strong>wand. In diesem wird das Unbehagen<br />
mancher Autoren deutlich zuzugeben, dass der Rat der Volksbeauftragten<br />
ke<strong>in</strong>e ernsthaften Anstalten machte, e<strong>in</strong>e starke Volkswehr aufzubauen, um die<br />
OHL nicht zu verprellen. Dafür gibt es e<strong>in</strong>e drückende Beweislast. 49 Zwar trifft zu,<br />
dass bestimmte Aufrufe auf wenig Resonanz bei Arbeitern stießen, wofür es jedoch<br />
gute Gründe gab: <strong>Die</strong> Arbeiter, gerade auch militärisch ausgebildete und<br />
zurückgekehrte Frontsoldaten, hatten ke<strong>in</strong>e Lust, sich von den alten Offizieren<br />
und Unteroffizieren wieder schurigeln zu lassen. Das aber wäre geschehen, denn<br />
die OHL konnte ohne größeren Widerstand nach kurzzeitiger Verunsicherung<br />
durch die Soldatenräte bald wieder die Kommandogewalt der alten Offiziere<br />
durchsetzen. <strong>Die</strong> h<strong>in</strong>haltende Taktik Friedrich Eberts spielte ihnen dabei <strong>in</strong> die<br />
Hände. 50 Dort wo es möglich war, unter dem Kommando der Soldatenräte Volkswehren<br />
zu bilden, geschah dies mit Erfolg, nicht nur <strong>in</strong> Österreich, wie die Beispiele<br />
München und auch Leipzig bewiesen.<br />
Solche Wehren sicherten Ruhe und Ordnung, sie waren allerd<strong>in</strong>gs zu Operationen<br />
außerhalb der deutschen Grenzen kaum geeignet. Für solche gab es auch<br />
ke<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Notwendigkeit, da die Grenzen vorerst und bis zur Herstellung<br />
der vollen Souveränität <strong>Deutschland</strong>s durch die Siegermächte garantiert waren.<br />
Durchaus mögliche Übergriffe größeren Ausmaßes seitens polnischer Nationalisten<br />
lagen nicht im Interesse der Sieger, kle<strong>in</strong>ere Grenzscharmützel hätten von demokratischen<br />
Wehren erfolgreich bestanden werden können. <strong>Die</strong>se Wehren hätten<br />
den Sockel des neuen Heeres auf der Grundlage des Versailler Vertrages bilden<br />
können. Doch genau das war von den Militärs und den alten Eliten nicht gewollt.<br />
<strong>Die</strong> neue Reichswehr sollte zum Kern e<strong>in</strong>es späteren sogenannten Volksheeres<br />
werden, mit welchem wieder Großmachtpolitik zu betreiben war. Da störten von<br />
48 Siehe Francis L. Carsten: Revolution <strong>in</strong> Mitteleuropa <strong>1918</strong>-<strong>1919</strong>, Köln 1973, S. 20-23.<br />
49 Siehe He<strong>in</strong>rich August W<strong>in</strong>kler: Von der Revolution zur Stabilisierung. Arbeiter und Arbeiterbewegung <strong>in</strong> der<br />
Weimarer Republik <strong>1918</strong>-1924, Berl<strong>in</strong>-Bonn 1984, S. 70f. In Österreich gelang es, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>satzfähige Volkswehr<br />
zu schaffen. Siehe Detlef Lehnert: <strong>Die</strong> Weimarer Republik. Parteienstaat und Massengesellschaft, Stuttgart<br />
1999, S. 65.<br />
50 Ebert gab dem Druck General Groeners nach, <strong>in</strong>dem er den Beschluss des Reichsräte-Kongresses über die<br />
Hamburger Punkte zur Entmachtung der Offiziere h<strong>in</strong>haltend behandelte. Siehe Carsten, Revolution <strong>in</strong> Mitteleuropa,<br />
S. 58f.<br />
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