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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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sie plakatieren, was sie wirklich erstrebten? Glaubten sie im Ernst daran, später,<br />

nach den Wirren der Revolution, mit e<strong>in</strong>er Mehrheit <strong>in</strong> der Nationalversammlung<br />

ihre zeitweiligen Verbündeten und unverbesserliche Monarchisten wieder aus den<br />

Machtpositionen zu vertreiben, oder hofften sie tatsächlich auf deren Bekehrung<br />

zur Demokratie? Glaubten sie tatsächlich, ebenfalls später, wenn die Normalität<br />

des kapitalistischen Wirtschafts-Alltags e<strong>in</strong>getreten war, die Sozialisierung, sei es<br />

nur die von e<strong>in</strong>igen Schlüsselbereichen, parlamentarisch dekreditieren zu können?<br />

Wenn sie das wirklich glaubten, waren sie hoffnungslose Illusionisten, also Fehlbesetzungen<br />

<strong>in</strong> ihren Positionen. Der Zeitraum für grundsätzliche Veränderungen<br />

im Prozess e<strong>in</strong>er Revolution ist zumeist kurz, <strong>in</strong> der deutschen Revolution war<br />

dieser sehr kurz, spätestens Anfang Mai, vielleicht schon nach den Märzkämpfen<br />

<strong>1919</strong> abgeschlossen. Dennoch änderten die sozialdemokratischen Führer ihren<br />

Kurs nicht und hofften weiter. Oder, so drängt sich e<strong>in</strong>e zweite Frage auf, täuschten<br />

diese Führer die Mitglieder ihrer Partei mit sozialistischen Losungen, weil sie<br />

ihre Anhänger und die Massen überhaupt für unreif hielten, sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e neue Situation<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zudenken? Es wäre dann nicht die bloße Gier nach Macht gewesen;<br />

e<strong>in</strong> Vorwurf, den man den meisten sozialdemokratischen Führern <strong>in</strong> der Weimarer<br />

Republik wirklich nicht machen kann. Aber diese Täuschung wäre trotzdem nicht<br />

e<strong>in</strong>fach als zweckdienliches taktisches Manöver, also als kle<strong>in</strong>er, aber noch erlaubter<br />

Machiavellismus zu <strong>in</strong>terpretieren. Für e<strong>in</strong>e große Partei mit großer Tradition<br />

muss e<strong>in</strong>e solche Taktik, an e<strong>in</strong>em historischen Wendepunkt praktiziert, wo<br />

nur Wahrheit der geschichtlichen Situation gerecht wird, verhängnisvolle, irreparable<br />

Folgen haben. <strong>Die</strong> SPD war gewiss die stabilste demokratische Partei <strong>in</strong> der<br />

Weimarer Demokratie, <strong>in</strong> ihrer republikanischen Ges<strong>in</strong>nung unanfechtbar, wie<br />

noch ihre Haltung bei der Abstimmung über Hitlers Ermächtigungsgesetz im<br />

März 1933 bewies. Das nimmt sie aber von e<strong>in</strong>er grundsätzlichen kritischen Prüfung<br />

nicht aus.<br />

<strong>Die</strong> Partei der Unabhängigen Sozialdemokraten zählte nicht wenige hervorragende<br />

Intellektuelle zu ihrem Führungsstab, während unter ihren Mitgliedern der<br />

Arbeiteranteil noch größer als <strong>in</strong> der MSPD war. <strong>Die</strong> Unterschiedlichkeit der politischen<br />

Auffassungen rührt vor allem daher, dass sie sich als radikale Friedenspartei<br />

konstituiert hatte, wobei zunächst das E<strong>in</strong>treten für e<strong>in</strong>en sofortigen Frieden,<br />

nicht aber e<strong>in</strong>e bestimmte Variante der Demokratie im Vordergrund stand.<br />

Mit dem Ausbruch der Revolution und mit dem Waffenstillstand am 11. November<br />

musste aber das strategische Ziel festgelegt werden. Der Kompromiss des dritten<br />

Weges, also Nationalversammlung mit dem Gegengewicht der Räte, war<br />

schon früh <strong>in</strong>frage gestellt worden, als es der USPD nicht gelungen war, die<br />

Wahlen zur Nationalversammlung so lange h<strong>in</strong>auszuschieben, bis durch die Räte<br />

entscheidende Maßnahmen der Umgestaltung, so die Sozialisierung wichtiger<br />

Wirtschaftszweige, auf den Weg gebracht worden seien. Das Konzept des dritten<br />

Weges wurde aber nicht nur von früheren Reformisten und Zentristen abgelehnt<br />

oder halbherzig vertreten, es entsprach auch nicht den Vorstellungen e<strong>in</strong>er starken<br />

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