Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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möglich sichern, um sie als Ausgangspunkt für weitere politische Kämpfe <strong>in</strong> Richtung<br />
Sozialisierung und Arbeiterkontrolle auszubauen. Ließ der Artikel 165 der<br />
Weimarer Verfassung noch Raum für weitergehende Kontrollrechte der Arbeiter,<br />
so bedeutete das neue Betriebsrätegesetz im Jahre 1920 e<strong>in</strong>e entscheidende Niederlage<br />
der Rätebewegung. <strong>Die</strong> Betriebsräte wurden zu re<strong>in</strong>en Arbeiterausschüssen<br />
degradiert, e<strong>in</strong>e Kontrolle der Unternehmensleitung oder Mitspracherechte <strong>in</strong><br />
der Produktion hatten sie nicht. <strong>Die</strong> Betriebsräte wurden zu dem, was sie auch<br />
heute noch s<strong>in</strong>d: Interessenvertretungen der Arbeitenden gegenüber dem Unternehmer,<br />
der allerd<strong>in</strong>gs grundsätzlich Herr im Hause ist und sowohl über Produktionsmittel<br />
als auch über Unternehmensgew<strong>in</strong>ne frei verfügen kann.<br />
Der letzte Akt der Rätebewegung war der Kampf mit den Gewerkschaften um<br />
die Betriebsrätezentrale. <strong>Die</strong> Frage lautete: Organisation der Betriebsräte <strong>in</strong>nerhalb<br />
der Gewerkschaften oder selbständige Dachorganisation aller Betriebsräte als<br />
revolutionäres Kampforgan? In Berl<strong>in</strong> hatte sich Richard Müller nach Auflösung<br />
des Vollzugsrates im August <strong>1919</strong> letzterem Zweck gewidmet. Als Nachfolger des<br />
aufgelösten Vollzugsrates wurde von ihm und anderen aus dem Kreis der Obleute<br />
e<strong>in</strong>e selbständige Betriebsrätezentrale aufgebaut, die auch von den örtlichen Gewerkschaftsorganen<br />
mitgetragen wurde. Geme<strong>in</strong>sam mit dem Kommunisten<br />
He<strong>in</strong>rich Brandler verteidige Richard Müller dieses Modell der selbständig-revolutionären<br />
Betriebsrätebewegung auf dem 1. Betriebsrätekongress vom 5.-7. Oktober<br />
1920 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. 29<br />
Der Übergang Müllers und e<strong>in</strong>er Mehrheit der Obleute zur KPD bahnte sich<br />
hier schon an. Bei der Spaltung der USPD auf dem Parteitag <strong>in</strong> Halle wenige Tage<br />
später waren Müller und se<strong>in</strong>e Genossen Verfechter des Anschlusses an die Kommunistische<br />
Internationale und der damit verbundenen „21 Bed<strong>in</strong>gungen“. An dieser<br />
Frage zerbrach die USPD. Müller wurde 1920 e<strong>in</strong>ige Monate Mitglied im Zentralkomitee<br />
der USPD-L<strong>in</strong>ken, nach dem Anschluss deren l<strong>in</strong>ken Flügels an die<br />
KPD im Dezember 1920 wurde er Vorsitzender der Reichsgewerkschaftszentrale<br />
der KPD. Mit dem Gew<strong>in</strong>n dieses l<strong>in</strong>ken USPD-Flügels e<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>es wesentlichen<br />
Teils der Betriebsrätebewegung war die KPD nun schlagartig zur Massenpartei<br />
geworden. 30<br />
In der Ause<strong>in</strong>andersetzung um die Betriebsräte trugen allerd<strong>in</strong>gs die Gewerkschaften<br />
den Sieg davon. Trotz e<strong>in</strong>es antikapitalistischen Konsenses und feuriger<br />
Reden von Gastrednern aus Sowjetrussland konnten sich Müller und Brandler<br />
auf dem Betriebsrätekongress nicht durchsetzen. Stattdessen wurde e<strong>in</strong> Antrag<br />
Robert Dißmanns angenommen, der zwar auch die Betriebsräte als revolutionäres<br />
Kampforgan beschwor, ihre Zusammenfassung aber unter dem Dach der bisher<br />
konservativ agierenden Gewerkschaftsführungen vorsah. Obwohl der Beschluss<br />
29 Siehe Protokoll der Verhandlungen des ersten Reichskongresses der Betriebsräte <strong>Deutschland</strong>s - Abgehalten<br />
vom 5.-7.10.1920 zu Berl<strong>in</strong>, Berl<strong>in</strong> 1920.<br />
30 Zur USPD Spaltung siehe u. a. Hartfrid Krause: USPD – Zur Geschichte der Unabhängigen Sozialdemokratischen<br />
Partei <strong>Deutschland</strong>s, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 1975, S. 132-216.<br />
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