Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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schießen ließ), <strong>in</strong> Absprache mit Innenm<strong>in</strong>ister Kühn von der SPD den Belagerungszustand<br />
verhängte.<br />
Am 3. August wurden die ersten Reichswehrtruppen nach Zittau <strong>in</strong> Marsch gesetzt.<br />
In dieser äußerst zugespitzten Situation wurden die örtlichen SPD-, USPDund<br />
Gewerkschaftsfunktionäre wankelmütig und konnten aufgrund ihres bisherigen<br />
E<strong>in</strong>flusses erreichen, dass sich bei der von den Gewerkschaften durchgeführten<br />
Urabstimmung 9.641 Arbeiter für die Beendigung des Generalstreiks aussprachen.<br />
<strong>Die</strong> junge KPD-Ortsgruppe konnte dies nicht verh<strong>in</strong>dern. Aber immerh<strong>in</strong><br />
waren noch 6.313 Arbeiter bereit, den Kampf fortzusetzen. Es steht außer Frage,<br />
dass die überwiegende Mehrheit der Streikenden nicht aufgegeben hätte, wenn die<br />
sozialdemokratischen und die Gewerkschaftsfunktionäre die proletarische E<strong>in</strong>heitsfront<br />
weitergeführt hätten.<br />
So rückten am 4. August 1920 zum zweiten Mal die Reichswehrverbände <strong>in</strong><br />
Zittau e<strong>in</strong>, und am 5. August erzwangen sie die Wiederaufnahme der Arbeit, obwohl<br />
– wie die örtliche Führung der SPD e<strong>in</strong>gestehen musste – die Arbeiter <strong>in</strong> Zittau<br />
<strong>in</strong> ihrer Mehrheit für die Fortsetzung des Streiks waren. <strong>Die</strong> meisten Mitglieder<br />
des Fünfzehner-Ausschusses und andere klassenbewusste Arbeiter wurden<br />
verhaftet und abgeurteilt.<br />
<strong>Die</strong> Ereignisse erregten großes Aufsehen. <strong>Die</strong> Stadtverwaltung, die Amtshauptmannschaft,<br />
die Kreishauptmannschaft Bautzen, die sächsische Landesregierung<br />
und der sächsische Landtag beschäftigten sich damit mehrfach.<br />
Am 4. August kamen die „Zittauer Vorgänge“ auch im Reichstag zur Sprache.<br />
Reichs<strong>in</strong>nenm<strong>in</strong>ister Koch erklärte dort, dass die „Zittauer Unruhen“ e<strong>in</strong> weiterer<br />
Beweis für die Notwendigkeit des so genannten Entwaffnungsgesetzes seien, welches<br />
am 1. Oktober 1920 <strong>in</strong> Kraft treten sollte. Zugleich forderte er e<strong>in</strong> schärferes<br />
Vorgehen gegen die – wie er sie nannte – „Unruhestifter“. 4<br />
Anders berichtete über die Vorgänge <strong>in</strong> Zittau die „Rote Fahne“ der KPD. In<br />
ihrer Ausgabe vom 3. August 1920 hieß es: „Wir wissen nicht, was <strong>in</strong> Zittau <strong>in</strong><br />
Wahrheit vorgefallen ist, wohl aber wissen wir, dass die deutsche Arbeiterschaft<br />
<strong>in</strong> 1 1<br />
/2 Jahren Revolutionserfahrung es gelernt hat, dass man nicht an e<strong>in</strong>em isolierten<br />
Ort durch e<strong>in</strong>en Handstreich die Räte-Diktatur errichten kann.“ Damit<br />
machte das KPD-Organ deutlich, dass nur bei Vorhandense<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er wirklich revolutionären<br />
Situation, und das nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en abgekapselten Gebiet, die<br />
Macht der Bourgeoisie gestürzt werden kann. In diesem S<strong>in</strong>ne wirkte Rudolf Renner,<br />
Sekretär der Bezirksleitung Ostsachsen der KPD, als er <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rede am 4.<br />
August <strong>in</strong> Seifhennersdorf die Demonstranten zur Ruhe ermahnte und sich deutlich<br />
gegen alle l<strong>in</strong>kssektiererischen Kräfte wandte, die durch ihre unüberlegten<br />
Aktionen dem Geschehen nur schaden mussten.<br />
<strong>Die</strong> Ereignisse vom Juli und August 1920 erregten Aufsehen, sie ängstigten die<br />
örtliche Bourgeoisie, doch sie wurden nicht zu e<strong>in</strong>er wirklich ernsthaften Gefahr<br />
4 Siehe „Zittauer Morgen-Zeitung“ und „Zittauer Nachrichten und Anzeiger“, 5.8.1920.<br />
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