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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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Mühsam lobt, es sei „e<strong>in</strong> Zeichen wachsender revolutionärer E<strong>in</strong>sicht im Proletariat“,<br />

dass es nicht frage, ob „der e<strong>in</strong>zelne Mitstreiter mit akademischer Ausrüstung<br />

antritt oder von se<strong>in</strong>em ursprünglichen Klassengefühl zum Widerstand gegen<br />

die bürgerliche Gesellschaft gedrängt“ werde. <strong>Die</strong> „Vore<strong>in</strong>genommenheit für<br />

oder gegen die ‚Intellektuellen’ bei der Arbeiterschaft“ sei revidiert, was sich „aus<br />

den unterschiedlichen Erfahrungen“ erkläre, „die sie sowohl mit den Flüchtl<strong>in</strong>gen<br />

aus der Bourgeoisie als auch mit den ‚Führern’ aus dem Proletariat selbst gemacht<br />

hat. Es kann schlechterd<strong>in</strong>gs ke<strong>in</strong>em Proletarier e<strong>in</strong>fallen, die ‚Literaten und<br />

Akademiker’ Len<strong>in</strong>, Trotzki, Lunatscharski, Buchar<strong>in</strong>, S<strong>in</strong>owjew, Liebknecht, Luxemburg,<br />

Mehr<strong>in</strong>g, Landauer und so weiter als nicht zugehörig zu betrachten“.<br />

Wohl gibt es andere Intellektuelle, die nicht auf die proletarische Seite traten, doch<br />

darüber h<strong>in</strong>aus Proletarier, für welche gelte: „diese ‚gehobenen’ Vertreter des<br />

Arbeiterstandes, denen die Assimilierung an die Bourgeoisie genausogut gelungen<br />

ist wie den studierten Führern des revolutionären Kommunismus ihr Aufgehen im<br />

Proletariat“. 4<br />

In ihrer grundlegenden Rede: „<strong>Die</strong> Intellektuellenfrage“ (1924) leitete Clara<br />

Zetk<strong>in</strong> das Problem historisch her, beschrieb sie die unterschiedlichen Schichten<br />

<strong>in</strong> der Intelligenz und vermerkte wie Erich Mühsam die zwiespältige E<strong>in</strong>stellung<br />

des Proletariats zu den Intellektuellen. Hier vielleicht Bewunderung wegen des<br />

Wissens des Intellektuellen, se<strong>in</strong>er Geistigkeit, se<strong>in</strong>er Manieren. Dort Hass, weil<br />

der Proletarier <strong>in</strong> ihm den „Kommandierenden, Antreiber und Aufpasser“ erblicke,<br />

sogar den „Gendarmen, Schergen und Richter“, und zum Hass noch überdies<br />

Verachtung, weil der geistige Arbeiter der Mann sei, „der dank se<strong>in</strong>em Wissen<br />

und Können den Kapitalisten erfolgreich bekämpfen könnte“, es aber aus<br />

Feigheit und Dünkel unterlasse. 5<br />

Gerade gegenwärtig wird die Intellektuellenfrage wieder diskutiert. Das Heft<br />

70 (Juni 2007) der Zeitschrift „Z“ („Marxistische Erneuerung“) brachte e<strong>in</strong>e Auswahl<br />

von Beiträgen dazu <strong>in</strong> zeitgemäßer Aktualisierung: „Intellektuelle im Neoliberalismus“.<br />

David Salomon er<strong>in</strong>nert <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Untersuchung „Der Intellektuelle<br />

der sozialen Frage“ daran, der Begriff des Intellektuellen sei ke<strong>in</strong>e 120 Jahre alt.<br />

Er entstand <strong>in</strong> den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts im Kontext der Dreyfus-<br />

Affäre <strong>in</strong> Frankreich (der Verfasser stützt sich u. a. auf Ausführungen von Gramcsi<br />

und Sartre). Sieht man von dem Begriff ab, ist das bezeichnete Phänomen jedoch<br />

um e<strong>in</strong> Jahrhundert älter: Zur Zeit der Französischen Revolution bezichtigten konterrevolutionäre<br />

Wortführer die Intellektuellen, damals unter dem Namen „Philosophen“,<br />

den Umsturz herbeigeführt oder wenigstens vorbereitet zu haben. Napoleon<br />

beklagte sich über oppositionelle Kräfte, die er als „Ideologen“ verdächtigte.<br />

Richtig leitet Salomon die Ersche<strong>in</strong>ung des Intellektuellen vom 18. Jahrhundert<br />

her: „Der moderne Intellektuelle ist e<strong>in</strong> genu<strong>in</strong>es Produkt des Bürgertums und sei-<br />

4 Mühsam, Publizistik, S. 336f.<br />

5 Clara Zetk<strong>in</strong>: Zur Theorie und Taktik der kommunistischen Bewegung, hrsg. von Katja Haferkorn und He<strong>in</strong>z<br />

Karl, Leipzig 1974, S. 382f.<br />

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