Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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<strong>Die</strong> Bilanz des ersten Tages der Revolution <strong>in</strong> Leipzig war: <strong>Die</strong> militärischen<br />
Behörden kapitulierten so schnell und widerstandslos, dass man für Leipzig von<br />
e<strong>in</strong>er „geräuschlosen“ Revolution gesprochen hat. 16 <strong>Die</strong> LVZ stellte zu diesem<br />
Sachverhalt am 9. November fest: „Schneller als sich die Gewalthaber von gestern<br />
dachten, ist der große Zusammenbruch ihrer Herrlichkeit gekommen. ... Das war<br />
e<strong>in</strong> schnelles Volksgericht. Tausende hurtiger Soldaten griffen entschlossen zu,<br />
und unter ihren Händen zerbrach die ganze Herrlichkeit des Militarismus wie<br />
morscher Zunder.“ Anders dagegen die Sicht des liberalen „Leipziger Tageblatts“.<br />
<strong>Die</strong>ses schrieb am gleichen Tag: „Im Publikum war man im allgeme<strong>in</strong>en über die<br />
Vorgänge überrascht und vermochte sie schwer zu begreifen. Von allen Seiten<br />
hörte man die Worte: ‚Wozu das jetzt, wo der Frieden unmittelbar vor der Tür<br />
steht?’“<br />
<strong>Die</strong> ersten Maßnahmen des Arbeiter- und Soldatenrates waren die Auflösung<br />
der politischen Polizei und die E<strong>in</strong>setzung des USPD-Stadtverordneten Johann<br />
Scheib als neuen Polizeidirektor. <strong>Die</strong> Polizei wurde vorläufig entwaffnet und e<strong>in</strong>e<br />
eigene Sicherheitswehr gebildet, das Generalkommando der Befehlsgewalt des<br />
Soldatenrates unterstellt. Bemerkenswert war die Zusicherung der Pressefreiheit.<br />
Als am selben Abend Soldaten vorübergehend den Verlag der „Leipziger Neuesten<br />
Nachrichten“ (LNN) besetzt hatten, wurde dies vom Rat ausdrücklich nicht<br />
gebilligt, und schon am nächsten Tag konnte die Zeitung wieder ersche<strong>in</strong>en.<br />
Für den 9. bis 11. November wurde der Generalstreik proklamiert. 17 Am 10.<br />
November wurden die 33 Mitglieder e<strong>in</strong>es „Engeren Ausschusses“ gewählt, darunter<br />
ausnahmslos die USPD-Funktionäre Friedrich Geyer, Curt Geyer, Karl Ryssel<br />
18 und Hermann Liebmann 19 . E<strong>in</strong>e Beteiligung der MSPD und der Mitglieder<br />
des Gewerkschaftskartells hatte man abgelehnt.<br />
Der Aufruf zum Generalstreik wurde am 9. November vor allem <strong>in</strong> den Großbetrieben<br />
geschlossen befolgt. In den überall stattf<strong>in</strong>denden Betriebsversammlungen<br />
wurden Arbeiterräte gebildet, welche als Vertretung der Arbeiter<strong>in</strong>teressen gegenüber<br />
den Unternehmern und zugleich als Kontroll<strong>in</strong>stanz für die Durchführung<br />
zentraler Anweisungen gedacht waren. Für den 10. November hatte die USPD,<br />
wie bereits erwähnt, schon vor Ausbruch der Revolution zu Massenkundgebungen<br />
aufgerufen. In zwölf Veranstaltungssälen der Stadt fanden an diesem Tag überfüllte<br />
Versammlungen statt, die den Charakter von Siegesfeiern annahmen. Nach<br />
deren Abschluss strömten die Teilnehmer <strong>in</strong> langen Zügen <strong>in</strong>s Stadt<strong>in</strong>nere, wo auf<br />
dem Augustusplatz e<strong>in</strong>e große Kundgebung stattfand, der e<strong>in</strong>e schwer zu schät-<br />
15 Geschwandtner wurde am 21. November <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er etwas undurchsichtigen Angelegenheit wegen angeblichen<br />
„Geheimnisverrats“ vorläufig verhaftet und se<strong>in</strong>es Postens enthoben. Se<strong>in</strong> Nachfolger wurde mit Schön<strong>in</strong>g e<strong>in</strong><br />
Vertrauensmann der USPD. Siehe Stadtarchiv Leipzig (StadtAL), Kapitelakten 1, Nr. 90, Bl.19.<br />
16 So e<strong>in</strong>e Kapitelüberschrift bei Rudloff/Adam, Wiege der deutschen Sozialdemokratie.<br />
17 Siehe Puchta, Der Arbeiter- und Soldatenrat, S. 364.<br />
18 Karl Ryssel, seit 1914 MdR, war bereits vor dem Krieg Parteisekretär der SPD <strong>in</strong> Leipzig gewesen. 1917 trat<br />
er der USPD bei.<br />
19 Hermann Liebmann, SPD-Mitglied seit 1905, war seit 1913 Redakteur der Leipziger Volkszeitung. 1917 Beitritt<br />
zur USPD.<br />
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