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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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<strong>Die</strong> Gewerkschaften wurden im Feuer der Revolution geradezu neu geboren.<br />

<strong>Die</strong> Mitgliedschaft der sozialistisch orientierten Freien Gewerkschaften vervielfachte<br />

sich von e<strong>in</strong>er Million auf fast acht Millionen. Und diese Millionen neuer<br />

Mitglieder blieben trotz aller politischen Enttäuschungen bis <strong>in</strong> die Inflationsmonate<br />

1923 h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> ihren Verbänden treu. <strong>Die</strong> fünf Jahre nach der Revolution waren<br />

Jahre e<strong>in</strong>er nie da gewesenen Machtfülle der Gewerkschaften. Nie zuvor und nie<br />

mehr danach hatte das Wort der Arbeitnehmer im Betrieb solches Gewicht. Im<br />

Oktober <strong>1919</strong> rechnete die Generalversammlung des Deutschen Metallarbeiter-<br />

Verbandes (DMV), der größten E<strong>in</strong>zelgewerkschaft, mit der anpasserischen Politik<br />

des Vorstandes während des Krieges ab und wählte e<strong>in</strong>e neue Führung. Auch<br />

das war e<strong>in</strong> Zeichen von Stärke. Am 4. Februar 1920 verabschiedete der Reichstag<br />

das Betriebsrätegesetz, das trotz se<strong>in</strong>er Schwächen den Räten Rechte zugestand,<br />

von denen die e<strong>in</strong>stigen „Arbeiterausschüsse“ nur träumen konnten. Wenn<br />

heute Mitglieder der Betriebsräte auch <strong>in</strong> den Aufsichtsräten Arbeiternehmer<strong>in</strong>teressen<br />

vertreten, dann ist das e<strong>in</strong> Erfolg des Jahres 1920 – im Gefolge der Revolution.<br />

Generalstreik<br />

Man muss sich dieses andere Kräfteverhältnis <strong>in</strong> den Betrieben vor Augen führen,<br />

wenn man verstehen will, wie es den Gewerkschaften im März 1920 gel<strong>in</strong>gen<br />

konnte, den Putsch der Militaristen um Kapp und Lüttwitz durch Generalstreik <strong>in</strong>nerhalb<br />

weniger Tage zum Scheitern zu br<strong>in</strong>gen. <strong>Die</strong>ses Kräfteverhältnis war nicht<br />

alle<strong>in</strong> <strong>in</strong>nerhalb der deutschen Grenzen neu bestimmt worden. Seit dem Oktober<br />

1917 g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e revolutionäre Welle durch Europa, wie man sie seit 1848 nicht<br />

mehr gesehen hatte. 1 <strong>Die</strong> Arbeiter <strong>in</strong> Russland machten den Anfang. Fast auf den<br />

Tag genau zum ersten Jahrestag der russischen Revolution folgte <strong>1918</strong> die deutsche.<br />

Am 12. November erklärte sich Deutschösterreich unter sozialistischer<br />

Führung zu e<strong>in</strong>em Teil der Deutschen Republik. <strong>1919</strong> wurde die ungarische Räterepublik<br />

errichtet. <strong>Die</strong> Kämpfe <strong>in</strong> Italien und Spanien nahmen an Schärfe zu. Vor<br />

diesem H<strong>in</strong>tergrund schlug am 13. März 1920 die Sternstunde der deutschen Gewerkschaften.<br />

Ohne langes Federlesen g<strong>in</strong>g ihr Aufruf h<strong>in</strong>aus: „<strong>Die</strong> Reaktionäre<br />

[...] schicken sich an, auch die Errungenschaften der Revolution vom November<br />

<strong>1918</strong> zu beseitigen [...] Wir fordern daher alle Arbeiter, Angestellten und Beamten<br />

... auf, überall sofort <strong>in</strong> den Generalstreik e<strong>in</strong>zutreten.“ 2<br />

<strong>Die</strong> Gewerkschaften waren nicht nur an Mitgliederzahlen gewachsen, sie hatten<br />

auch aus der Geschichte gelernt. Noch 1906 waren ihre Vertreter auf dem<br />

Mannheimer Parteitag der SPD als entschiedene Gegner des politischen Mas-<br />

1 Siehe den Beitrag von M. Bois/R. Tosstorff <strong>in</strong> diesem Band.<br />

2 Korrespondenzblatt, Berl<strong>in</strong>, 27.3.1920, S. 150 f.<br />

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