Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Wenn im Folgenden die Ruhrgebietsentwicklung ausschließlich während der unmittelbaren<br />
Revolutionsphase zwischen November <strong>1918</strong> und April 1920 untersucht<br />
wird, ist damit zugleich gesagt, dass der Untersuchungsgegenstand nicht <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er ganzen Tiefe durchleuchtet werden kann.<br />
Radikalisierungsschübe <strong>in</strong> der Arbeiterschaft des Ruhrgebiets <strong>1918</strong>-1920<br />
Der Umsturz im Ruhrgebiet wurde wie im übrigen Deutschen Reich von Soldaten<br />
ausgelöst. Zwischen 7. und 9. November <strong>1918</strong> <strong>in</strong>itiierten Kieler Mar<strong>in</strong>esoldaten,<br />
die vom Militärstützpunkt Köln gekommen waren, die Bildung lokaler Arbeiterund<br />
Soldatenräte <strong>in</strong> den Revierstädten. Obgleich die Räte im Ruhrgebiet mit klassenkämpferischen<br />
Worten die vollständige Übernahme der politischen Gewalt beanspruchten,<br />
verlief der Umsturz <strong>in</strong> den Städten relativ ruhig. <strong>Die</strong> Räte waren<br />
mehrheitlich von Sozialdemokraten besetzt, daher antibolschewistisch e<strong>in</strong>gestellt<br />
und entwickelten nur <strong>in</strong> Maßen politische Initiativen. Stattdessen waren ihre Aktivitäten<br />
<strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie auf die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Sicherung<br />
der Lebensmittelversorgung gerichtet. <strong>Die</strong>s geht aus den überlieferten Aufrufen<br />
verschiedener Arbeiter- und Soldatenräte des Ruhrgebiets hervor. 21 An zweiter<br />
Stelle stand der Kampf gegen das Wiedererstarken monarchischer Kräfte <strong>in</strong> der<br />
Armee. Damit sollte die Übergangsherrschaft des Rates der Volksbeauftragten stabilisiert<br />
werden, der frühzeitig die Weichen für die parlamentarische Republik und<br />
die Überw<strong>in</strong>dung der Revolution stellte. Im Zeichen e<strong>in</strong>es reformistischen Kurses<br />
suchten die Räte die Kooperation mit den kaiserlichen Verwaltungsbeamten <strong>in</strong> den<br />
Stadtverwaltungen und Bezirksregierungen: 22 Der Blick auf das Ruhrgebiet macht<br />
somit deutlich, dass das „demokratische Potenzial“ der Rätebewegung für e<strong>in</strong>en<br />
wahrhaft politischen Neuanfang nicht überschätzt werden darf, wie <strong>in</strong> der Forschung<br />
der 1960er und 70er Jahre bisweilen geschehen. 23 <strong>Die</strong> spontan gebildeten<br />
Räte waren zwar Träger des Umbruchs <strong>in</strong> der ersten Revolutionsphase und wirkten<br />
etwa durch die Niederwerfung l<strong>in</strong>ksextremer Gewalttaten auf die Durchsetzung<br />
demokratischer Verhältnisse h<strong>in</strong>, gleichwohl ist ihr Stellenwert für e<strong>in</strong>en fundamentalen<br />
Umbau der politischen Ordnung <strong>in</strong>klusive e<strong>in</strong>es umfassenden<br />
Elitenwechsels zu relativieren. 24<br />
Auch schon während der ersten Revolutionsphase waren im Ruhrgebiet vere<strong>in</strong>zelt<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzungen aufgeflackert. Doch erst um den Jahreswechsel<br />
<strong>1918</strong>/19 formierte sich e<strong>in</strong>e – durch die politische Revolution vom November<br />
<strong>1918</strong> angestachelte – soziale Protestbewegung, die sich <strong>in</strong> massiven Ausschrei-<br />
20 Siehe Abelshauser/Himmelmann, Revolution; Tenfelde, Arbeiterbewegung, S. 344.<br />
21 Siehe Aufruf des Reckl<strong>in</strong>ghäuser Arbeiter- und Soldatenrats vom 9. November <strong>1918</strong> und Erklärung desselben<br />
vom gleichen Tag, <strong>in</strong>: Bogdal, Rote Fahnen, S. 13 u. 14.<br />
22 Siehe Abelshauser, Umsturz, S. XIII-XXI.<br />
23 Siehe Rürup, E<strong>in</strong>leitung; Oertzen, Ruhrbergarbeiterschaft.<br />
24 Siehe Wirsch<strong>in</strong>g, Weimarer Republik, S. 53.<br />
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