23.10.2012 Aufrufe

Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

stärkt wurden. Bereits im so genannten Steckrübenw<strong>in</strong>ter 1916/17 war es <strong>in</strong> Essen<br />

zu Hungerunruhen und Streiks gekommen, an denen gut 20.000 Bergleute teilgenommen<br />

hatten. Mit der Revolution schien die Zeit nunmehr reif für den Ausgleich<br />

der im Krieg erbrachten Entbehrungen. 33 Daher waren die revolutionären<br />

Postulate vielfach mit der Forderung nach verbesserten Lohn- und Existenzbed<strong>in</strong>gungen<br />

verzahnt. Gerade im Schlagwort der Sozialisierung des Kohlenbergbaus<br />

verdichtete sich das Streben der Bergleute nach Überw<strong>in</strong>dung sozialer Not und restriktiver<br />

Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen aus der Zeit des Weltkriegs; es entsprang weniger<br />

dem theoretischen Entwurf e<strong>in</strong>es gesamtgesellschaftlichen Umbaus, denn vielmehr<br />

dem mental tief verankerten „Verlangen nach Humanisierung und Respektierung<br />

der bergmännischen Arbeit“. 34 Sozialisierung, darauf hat die Forschung<br />

h<strong>in</strong>gewiesen, wurde im Frühjahr <strong>1919</strong> vielfach zu e<strong>in</strong>em Symbol für die angestrebte<br />

Verbesserung der sozialen Lage und die Selbstbestimmung am Arbeitsplatz.<br />

35<br />

Schubkraft erhielt die Protestbewegung drittens durch die Kritik der Soldatenräte<br />

an der Militärpolitik des Rates der Volksbeauftragten, die konterrevolutionären<br />

Kräften <strong>in</strong> der Armee une<strong>in</strong>geschränkte Handlungsspielräume e<strong>in</strong>zuräumen<br />

schien. 36 Und die blutigen Gewalttaten der Freikorps und Reichswehrtruppen<br />

gegen Sicherheitswehren dürften die Verbitterung vertieft haben. Zumal deutlich<br />

wurde, dass das Militär ungeachtet des politischen Umsturzes weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en gravierenden<br />

<strong>in</strong>nenpolitischen Machtfaktor darstellte. Im Ganzen dürfte es <strong>in</strong> Anlehnung<br />

an Andreas Wirsch<strong>in</strong>g nicht ganz falsch se<strong>in</strong> anzunehmen, dass die erfahrungsgeschichtlich<br />

greifbare „Diskrepanz zwischen Revolutionserwartung und<br />

Revolutionsabkehr“ ausschlaggebend für das hohe Ausmaß der politischen Polarisierung<br />

war, die das Ruhrgebiet <strong>in</strong> den Jahren <strong>1919</strong> und 1920 prägen sollte. 37<br />

<strong>Die</strong> Proteste waren zugleich Ursache, Begleitfaktor und Ergebnis tief greifender<br />

Radikalisierungsschübe <strong>in</strong> der Arbeiterschaft des Ruhrgebiets, mit denen die<br />

sozialistischen Parteien weitgehend unvorbereitet konfrontiert waren. <strong>Die</strong> Generalstreiks<br />

vom Frühjahr <strong>1919</strong>, die Sozialisierungsdebatte, der Aufstieg des Anarcho-Syndikalismus<br />

und der „Ruhrkampf“ vom März/April 1920 waren Kristallisationspunkte<br />

der Protestbewegungen, die es im Folgenden zu untersuchen gilt.<br />

33 Siehe Wirsch<strong>in</strong>g, Weimarer Republik, S. 54.<br />

34 Abelshauser, Umsturz, S. XXIII.<br />

35 Siehe ebenda; Mommsen, Bergarbeiterbewegung, S. 290-295; Mommsen, Revolution, S. 375-383, 389f.<br />

36 Siehe Mommsen, Revolution, S. 370.<br />

37 Andreas Wirsch<strong>in</strong>g: <strong>Die</strong> paradoxe Revolution <strong>1918</strong>/19, <strong>in</strong>: Aus Politik und Zeitgeschichte, H. 50-51/2008,<br />

S. 9f.<br />

111

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!