Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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menschlichen Tätigkeit“ sei ke<strong>in</strong>eswegs „das Radikalste“, da e<strong>in</strong> „Radikalismus“<br />
existiere, „der alle wirtschaftlichen Umwälzungen h<strong>in</strong>ter sich läßt“: „der Radikalismus<br />
des Geistes“. Alles solle mitwirken, „daß die sittlichen Gesetze der befreiten<br />
Welt <strong>in</strong> die deutsche Politik e<strong>in</strong>geführt werden und sie bestimmen“. Dem ermordeten<br />
Eisner rühmte er nach, er habe die E<strong>in</strong>sicht besessen, „wie furchtbar<br />
gerade dieses Volk von se<strong>in</strong>en alten Machthabern überanstrengt worden war im<br />
Blutdienst e<strong>in</strong>es Staats- und Machtwahnes, dem Menschen nichts galten. Fortan<br />
sollte Schonung walten, Versöhnung, Brüderlichkeit.“ Und daher: „… ke<strong>in</strong> Krieg<br />
nach dem Kriege, ke<strong>in</strong> Bürgerkrieg!“ Er ist sich gewiss, e<strong>in</strong>e „wahre und re<strong>in</strong>e Demokratie<br />
wird heranwachsen“, registriert aber auch, dass die „Lügen des Kaiserreichs<br />
… übernommen“ werden; „die regierenden Sozialdemokraten schon wieder<br />
Gefangene des Militärs s<strong>in</strong>d“, „Revolutionäre unter Qualen getötet werden …,<br />
<strong>in</strong>dessen den schlimmsten Kriegsfurien niemand e<strong>in</strong> Haar krümmt.“ Was sei aber<br />
Demokratie? – „… der Wille der Mehrheit, der Völkerfriede, Freiheit im Innern,<br />
Ausgleich des Besitzes – und ist es <strong>in</strong> dieser Folge. Ihr könnt den Ausgleich des<br />
Besitzes nicht schaffen, bevor ihr die Geister gerecht gestimmt habt.“ 17 Konnte<br />
man vordem geneigt se<strong>in</strong>, He<strong>in</strong>rich Manns Sicht als überspannt „idealistisch“ abzutun,<br />
wird man nach dem Ende des ersten Sozialismus-Versuchs <strong>in</strong> Europa geneigter<br />
se<strong>in</strong>, ihn von Grund auf zu verstehen und se<strong>in</strong>e Überlegungen <strong>in</strong> aktuelle<br />
Überlegungen e<strong>in</strong>fließen zu lassen. Geistige, vor allem psychologische Vorbereitung<br />
ist die unerlässliche Vorbed<strong>in</strong>gung für das Gel<strong>in</strong>gen, wenn e<strong>in</strong>e andere Welt<br />
Wirklichkeit werden soll, die – so die neue Parole – möglich wäre.<br />
Das Klassensystem, sieht He<strong>in</strong>rich Mann voraus, werde bald „unbrauchbar“, der<br />
„Arbeiterbürger das Zeitgemäße“. Übrig bleibe e<strong>in</strong> „weites Kle<strong>in</strong>bürgertum, aus<br />
Kopf- und Handarbeitern; – und die werden nicht <strong>in</strong> alle Ewigkeit um ihre Gew<strong>in</strong>ne<br />
streiten. Ihre Vertretungen werden weder beschränkt se<strong>in</strong> noch ausschweifen …“<br />
<strong>Die</strong> Vorzüge des Rätesystems leuchten ihm e<strong>in</strong>, und er möchte es übrigens auch als<br />
Instrument der Kommunismusabwehr verstehen: „…. ja, gerade e<strong>in</strong> Rätesystem, sofern<br />
es alle irgend Arbeitenden umschlösse, würde, <strong>in</strong>dem es sie von Grund auf politisierte,<br />
jedem vernunftwidrigen Äußersten, ob Imperialismus oder Kommunismus,<br />
den Zugang sperren.“ Konnte er sich mit dem Rätesystem arrangieren, so<br />
betrachtete er doch die Räterepubliken als Fehlschlag: „Nun ereigneten sich <strong>in</strong> der<br />
Folge der Revolution die nur lokalen, übrigens unglücklichen Versuche e<strong>in</strong>er proletarischen<br />
Klassenherrschaft, die weit übertrieben Bolschewismus hießen.“ 18<br />
Aktivismus, Pazifismus und der Politische Rat geistiger Arbeiter<br />
Mitten im Weltkrieg und <strong>in</strong> der <strong>Novemberrevolution</strong> entstanden neben den bekannten<br />
neuen Parteien auch neue politische Bewegungen. E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere darunter<br />
17 H. Mann, Essays, 2. Bd., S. 23f., 29, 52, 55, 62.<br />
18 Ebenda, S. 62f., 76.<br />
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