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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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ung vom 16. November gewesen, wonach „örtliche Arbeiterräte ke<strong>in</strong>e Befugnis<br />

[haben], den Behörden Befehle zu erteilen, die mit den Verordnungen der vorgesetzten<br />

<strong>Die</strong>nstbehörden <strong>in</strong> Widerspruch stehen“. 27 Eigenmächtige Entlassungen<br />

von Richtern, Lehrern und anderen Beamten wurden den Räten verboten. <strong>Die</strong>se<br />

Verfügungen kamen bereits e<strong>in</strong>er teilweisen Entmachtung der örtlichen Räte nahe,<br />

welche im unmittelbaren Gefolge der Revolution <strong>in</strong> vielen Städten die eigentliche<br />

vollziehende Gewalt ausgeübt hatten und nun im wesentlichen auf Kontrollrechte<br />

beschränkt wurden. In Leipzig löste diese Verfügung Ärger und Widerstand aus.<br />

Friedrich Seger erklärte am 6. Dezember <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Eigenschaft als Volkskommissar<br />

der Kreishauptmannschaft Leipzig, sämtliche Befugnisse der Geme<strong>in</strong>deräte<br />

seien durch die Revolution auf die Räte übergegangen, und wies die kommunalen<br />

Behörden der Amtshauptmannschaft an, sich daran zu halten. Es deutete sich an,<br />

dass die Vertreter der USPD <strong>in</strong> der sächsischen Regierung schnell <strong>in</strong> Widerspruch<br />

zur eigenen Basis zu geraten drohten.<br />

Das Bürgertum atmete auf und forderte nunmehr Beteiligung am Neuaufbau.<br />

Das liberale „Leipziger Tageblatt“, realistischer <strong>in</strong> der Beurteilung des Revolutionsverlaufes<br />

als andere bürgerliche Blätter, hatte schon am 18. November konstatiert:<br />

„Der erste junge Freiheitsrausch ist zerstoben, man hat erkannt, dass unser<br />

heutiges Staats- und Wirtschaftsleben zu kompliziert ist, um das Alte e<strong>in</strong>fach<br />

beiseite zu schieben.“ Das „Tageblatt“, das schon im Krieg Kritikern der imperialistischen<br />

Politik Stimme verliehen hatte, versuchte nun, Anstöße zum Mitwirken<br />

des Bürgertums beim Aufbau neuer Machtstrukturen auf demokratischer Grundlage<br />

zu geben. Denn wie <strong>in</strong> den meisten deutschen Ländern hatten bis zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht nur die Träger der politischen und militärischen Macht schwächlich<br />

(wenn überhaupt) Widerstand geleistet. Auch die bürgerlichen Eliten zeigten<br />

kaum Bereitschaft, die Monarchie zu verteidigen, und verhielten sich <strong>in</strong> ihrer<br />

Mehrheit passiv oder agierten wenig effektiv.<br />

Am 18. November gründete sich e<strong>in</strong> Leipziger Bürgerausschuss – an se<strong>in</strong>er<br />

Spitze stand der Professor und Historiker an der hiesigen Universität Walter Goetz<br />

– und vere<strong>in</strong>igte zunächst etwa 100 bürgerliche Verbände. Neben Goetz wirkten<br />

maßgeblich mehrere Angehörige des Verbandes der Metall<strong>in</strong>dustriellen <strong>in</strong> dem<br />

neuen Ausschuss mit. Für die verschiedentlich vertretene Auffassung, Goetz sei<br />

nur e<strong>in</strong>e Marionette der im H<strong>in</strong>tergrund die Fäden ziehenden Industriellen gewesen,<br />

gibt es ke<strong>in</strong>e Beweise. <strong>Die</strong> Gründer des Bürgerausschusses kamen ganz überwiegend<br />

aus dem liberalen, zum Teil l<strong>in</strong>ksliberalen Spektrum. <strong>Die</strong> früheren Anhänger<br />

der Vaterlandspartei, die sich <strong>in</strong>zwischen im „Nationalliberalen Vere<strong>in</strong>“<br />

um den Historiker Erich Brandenburg zusammengeschlossen hatten und ihr Ziel<br />

<strong>in</strong> der Abwehr des Bolschewismus sahen, spielten zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der hier behandelten<br />

Phase <strong>in</strong> der Politik des Bürgerausschusses ke<strong>in</strong>e Rolle 28 . Das Ersuchen des<br />

27 SStAL, Amtshauptmannschaft Leipzig, Nr. 46, Bl.4.<br />

28 Zum Bürgerausschuss bisher am gründlichsten Siegfried Hoyer: Der Leipziger Bürgerausschuss. Messestädtisches<br />

Bürgertum und revolutionäre Krise <strong>1918</strong>/19, <strong>in</strong>: Leipziger Kalender 1999, S. 235-255. Siehe ferner<br />

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