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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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Sackgasse des sowjetischen Sozialismus-Modells beendet und damit dem demokratischen<br />

Sozialismus oder der sozialen Demokratie e<strong>in</strong>e neue Chance gegeben<br />

wurde. 3 Und Letzteres nicht nur für Ostdeutschland. <strong>Die</strong> Resultate der „friedlichen<br />

Revolution“ mussten im Falle der Vere<strong>in</strong>igung die Ausgestaltung der Demokratie<br />

im neuen <strong>Deutschland</strong> wesentlich bee<strong>in</strong>flussen oder gar grundsätzlich verändern.<br />

Bei dem abschließend unternommenen Vergleich werden die ersten drei Monate<br />

beider Erhebungen <strong>in</strong>s Visier genommen.<br />

<strong>1918</strong> und 1989 erlagen beide politischen Systeme den Angriffen der ersten<br />

Wochen, obwohl sie von außen betrachtet als stabil galten. Und Monarchie wie<br />

DDR-Regime waren zur Abwehr unfähig, obwohl ihre Apparate seit Monaten verbreitete<br />

Unzufriedenheit, ja System-Verdrossenheit <strong>in</strong> bisher nicht gekanntem<br />

Ausmaß signalisierten. <strong>Die</strong> stellvertretenden Generalkommandos meldeten im<br />

Sommer <strong>1918</strong> e<strong>in</strong>e fast allgeme<strong>in</strong>e Verbitterung selbst bei der Mehrheit der bis<br />

dah<strong>in</strong> treuen Anhänger der Monarchie. Über die Unzufriedenheit <strong>in</strong> der DDR<br />

braucht hier nichts vermerkt zu werden.<br />

<strong>Die</strong> Unfähigkeit, trotz erkanntem Ernst der Situation der Lage Herr zu werden,<br />

hatte vor allem zwei Ursachen: Beide Herrschaftssysteme hatten sich <strong>in</strong> den Jahren<br />

davor gründlich verändert, die Monarchie beschleunigt <strong>in</strong> den Jahren des<br />

Weltkrieges, die SED-Herrschaft <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em längeren, schleichenden Prozess.<br />

<strong>Die</strong> Lasten des Krieges bed<strong>in</strong>gten im Kaiserreich e<strong>in</strong>e Verarmung der Mehrheit.<br />

<strong>Die</strong> faktische Verwandlung der Monarchie <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Militärdiktatur schränkte<br />

bürgerliche Freiheiten weiter e<strong>in</strong>. In der Gewissheit der Niederlage schienen die<br />

Opfer als s<strong>in</strong>nlos. Das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung zur Monarchie<br />

war zerstört – und auch das Vertrauen zum Kapitalismus. In dieser Situation versagten<br />

die Machtmittel des alten Systems völlig. In der DDR hat wohl zu ke<strong>in</strong>em<br />

Zeitpunkt die Mehrheit Vertrauen zur politischen Führung gehabt. Man wusste soziale,<br />

kulturelle und bildungspolitische Leistungen zu schätzen. Gravierend wurden<br />

aber die Defizite an <strong>in</strong>dividueller Freiheit, politischer Partizipation und materielle<br />

Mängel empfunden. E<strong>in</strong>e gewisse Liberalisierung ab Mitte der siebziger<br />

Jahre beförderte zunehmend Proteste gegen e<strong>in</strong>e Führung, der man nicht vertraute<br />

oder nichts zutraute.<br />

Der Vergleich ergibt e<strong>in</strong> Paradoxon: <strong>in</strong> der Monarchie führte der Kurs <strong>in</strong> Richtung<br />

Diktatur zur Krise, <strong>in</strong> der DDR ermöglichte die Entwicklung der Diktatur zu<br />

e<strong>in</strong>em autoritären Regime den nötigen Spielraum, um sich e<strong>in</strong>er nicht vertrauenswürdigen<br />

Herrschaft zu entledigen. In beiden Fällen spielte die außenpolitische<br />

Isolierung e<strong>in</strong>e mit bestimmende Rolle.<br />

Das andere, nicht weniger wichtige Faktum für den vorerst schnellen Erfolg der<br />

Volkserhebungen war die nicht erwartete, spontane Massenbeteiligung. <strong>Die</strong>se ließ<br />

e<strong>in</strong>e Unterdrückung mit Waffengewalt aussichtslos ersche<strong>in</strong>en, als man e<strong>in</strong>sehen<br />

3 Siehe Jörg Roesler: <strong>Die</strong> kurze Zeit der Wirtschaftsdemokratie. Zur „Revolution von unten“ <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>aten und<br />

Betrieben der DDR während des 1. Halbjahres 1990, Hefte zur DDR-Geschichte, hrsg. von Helle Panke e. V.,<br />

Berl<strong>in</strong> 2005.<br />

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