Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Andere Gründe für die Abst<strong>in</strong>enz blieben im H<strong>in</strong>tergrund, wirkten aber um so<br />
nachhaltiger. <strong>Die</strong> <strong>Novemberrevolution</strong> <strong>1918</strong> war von den Mehrheits-Sozialdemokraten<br />
auf den Weg der repräsentativen Demokratie gebracht worden, doch dies<br />
mit Hilfe der alten Militärs, die sich als die Totengräber der Weimarer Demokratie<br />
erweisen sollten. Der Vorwurf, dass e<strong>in</strong>e solche Zusammenarbeit nicht nötig,<br />
ja vorhersehbar tödlich gewesen sei, ist nie mit überzeugenden Argumenten ausgeräumt<br />
worden. Im neuen <strong>Deutschland</strong> brauchte man mit solchen Vorwürfen<br />
kaum noch zu rechnen. Warum also daran rühren? Außerdem war für die Mehrzahl<br />
der Historiker e<strong>in</strong>e Revolution <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er modernen Industrie-Gesellschaft e<strong>in</strong><br />
Anachronismus, e<strong>in</strong> gefährlicher Störfaktor für e<strong>in</strong>e hoch differenzierte Gesellschaft.<br />
Vielleicht hat sich deshalb bisher ke<strong>in</strong>er der Wissenschaftler, der sich um<br />
die Erforschung der Revolution von <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> verdient gemacht hat, gründlicher<br />
mit der „friedlichen Revolution“ 1989/90 beschäftigt. Immerh<strong>in</strong> war die DDR,<br />
mochte man sie auch gründlich verabscheut haben, e<strong>in</strong> entwickelter Industriestaat<br />
gewesen, <strong>in</strong> dem es e<strong>in</strong>e Revolution hätte gar nicht geben sollen. Sie stellen den<br />
Term<strong>in</strong>us „friedliche Revolution“ aber zumeist nicht <strong>in</strong> Frage, wobei Opportunitäts-Erwägungen<br />
mitspielen dürften.<br />
Dem verbreiteten Jubel über den Kollaps des „realen Sozialismus“ und die<br />
deutsche E<strong>in</strong>heit folgte bald Ernüchterung. Soziale und politische Spannungen<br />
verschärften sich, die Lösung <strong>in</strong>ternationaler Konflikte erwies sich als schwieriger<br />
als <strong>in</strong> den drei Jahrzehnten davor. Es wäre an der Zeit gewesen, erneut die <strong>Novemberrevolution</strong><br />
<strong>1918</strong>/19 auf den Prüfstand zu stellen und zu analysieren, was an<br />
dieser erfolgreich und was Erfolg versprechend gewesen war, aber zu wenig ausgebaut<br />
wurde. Dabei hätte sich eigentlich aufdrängen müssen, den Verlauf der<br />
„friedlichen Revolution“ von 1989/90 mit dem der <strong>Novemberrevolution</strong> von<br />
<strong>1918</strong>/19 zu vergleichen und – spätestens nach dem Erkennen gravierender Fehlentwicklungen<br />
nach 1989/1990 – danach zu fragen, wo es auch <strong>in</strong> dieser Revolution<br />
falsche Weichenstellungen gegeben habe.<br />
Solche Überlegungen wurden vere<strong>in</strong>zelt angestellt. Re<strong>in</strong>hard Rürup, der sich<br />
verdient um die Erforschung der deutschen Revolution von <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> gemacht<br />
hatte, mahnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vortrag im Rahmen der Friedrich-Ebert-Stiftung im November<br />
1993 e<strong>in</strong>en solchen Vergleich an. 1 E<strong>in</strong> halbes Jahr vorher hatte ich auf e<strong>in</strong>em<br />
<strong>in</strong>ternationalen Kolloquium an der Universität Leipzig vergleichende Betrachtungen<br />
über das Verhältnis von Revolution und Konterrevolution <strong>in</strong> den<br />
Umbrüchen von <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> und 1989/1990 vorgetragen. 2<br />
Der Vergleich drängt sich auch deshalb auf, weil <strong>1918</strong>/<strong>1919</strong> Weichen gestellt<br />
werden sollten für e<strong>in</strong>en demokratischen Sozialismus und 1989 der Weg <strong>in</strong> die<br />
1 Siehe Re<strong>in</strong>hard Rürup: <strong>Die</strong> Revolution von <strong>1918</strong>/19 <strong>in</strong> der deutschen Geschichte. Vortrag vor dem Gesprächskreis<br />
der Friedrich-Ebert-Stiftung <strong>in</strong> Bonn am 4. November 1993, Bonn-Bad Godesberg 1993, S.18-<br />
20.<br />
2 Siehe Werner Bramke: Ungleiches im Vergleich. Revolution und Gegenrevolution <strong>in</strong> den deutschen Revolutionen<br />
von <strong>1918</strong>/19 und 1989, <strong>in</strong>: Mattias Middel <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit Roger Depuy und Thomas Höpel<br />
(Hrsg.): Widerstände gegen Revolutionen 1789-<strong>1919</strong>, Leipzig 1994, S.263-279.<br />
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