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Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland

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sich explizit und kämpferisch für den Sturz des Kapitalismus e<strong>in</strong>setzte, bedeutete<br />

er doch faktisch die Niederlage für die revolutionäre Rätebewegung. <strong>Die</strong> Betriebsräte<br />

wurden Organe der Gewerkschaften, die selbständige politische Rätebewegung<br />

<strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong> war damit beendet.<br />

Müller, Däumig und viele weitere Obleute wirken nun <strong>in</strong> der KPD weiter, und<br />

zwar <strong>in</strong> hohen Positionen: Däumig als Parteivorsitzender, Müller als Leiter e<strong>in</strong>er<br />

neu geschaffenen Reichsgewerkschaftszentrale, die aus der Betriebsrätezentrale<br />

heraus gegründet wurde. Däumig musste jedoch bereits kurz nach Antritt se<strong>in</strong>en<br />

Posten räumen, und nach den Märzkämpfen 1921 <strong>in</strong> Mitteldeutschland verlor<br />

auch Richard Müller se<strong>in</strong>e Position. Wie schon im Januar <strong>1919</strong> hielt Müller den<br />

Aufstandsversuch für e<strong>in</strong>en taktischen Fehler und behielt auch diesmal recht. <strong>Die</strong><br />

Partei war jedoch nicht bereit, diese Kritik zu akzeptieren, und drängte Müller <strong>in</strong><br />

die Opposition. Nachdem schlichtende E<strong>in</strong>griffe Len<strong>in</strong>s die Partei kurz stabilisiert<br />

hatten, setzte sich jedoch gegen Ende des Jahres die L<strong>in</strong>ie des Vorstands wieder<br />

durch, und Müller wurde im Januar 1922 geme<strong>in</strong>sam mit anderen Oppositionellen<br />

aus der KPD ausgeschlossen. 31<br />

Nachdem die Anti-Kriegsopposition gegenstandslos geworden und die selbständige<br />

Rätebewegung e<strong>in</strong>gegangen war, waren die Politikformen von Müller,<br />

Däumig und dem Kreis der Obleute an ihr Ende angelangt. Träger der politischen<br />

Kämpfe waren nun alle<strong>in</strong>e die Parteien, für die ökonomischen Kämpfe waren die<br />

Gewerkschaften zuständig – e<strong>in</strong>e Arbeitsteilung, die wesentlich zum Versagen der<br />

Arbeiterbewegung im Jahre 1914 beigetragen hatte, war damit wiederhergestellt.<br />

Auch die <strong>in</strong> der deutschen Arbeiterbewegung e<strong>in</strong>malige Eigenaktivität der Basis<br />

und ihr Gew<strong>in</strong>n an Handlungsmacht gegenüber den hauptamtlichen Apparaten<br />

war mit dem Ende der Räte im wesentlichen beendet.<br />

Den verbliebenen Obleuten fehlte nun die politische Heimat. Innerhalb der<br />

KPD waren sie seit der Absetzung Müllers und der Diszipl<strong>in</strong>ierung der Reichsgewerkschaftszentrale<br />

isoliert, von der SPD wollten sie nichts wissen, e<strong>in</strong>e USPD<br />

als starke Mittelkraft existierte nicht mehr. Das Zusammenspiel von radikaler Basisbewegung<br />

und Parlamentsopposition e<strong>in</strong>er Partei, das von Obleuten und USPD<br />

während des Krieges und auch danach teilweise sehr erfolgreich praktiziert<br />

wurde, konnte durch die sich abzeichnende Bolschewisierung der KPD nicht erhalten<br />

werden. Auch Versuche, die Obleutebewegung als parteiunabhängige<br />

Struktur zu reaktivieren, scheiterten. 32 E<strong>in</strong>zelne Obleute blieben <strong>in</strong> der KPD aktiv,<br />

andere wandten sich der Kommunistischen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft (KAG) zu oder<br />

verließen die Politik ganz. Der Zusammenhang als solcher, schon im Januar <strong>1919</strong><br />

brüchig geworden, verliert sich hier endgültig. Ebenso wenig wie es e<strong>in</strong> Gründungsdokument<br />

gab, gibt es ke<strong>in</strong>e offizielle Auflösungserklärung der Revolutionären<br />

Obleute.<br />

31 Siehe Re<strong>in</strong>er Tosstorff: Prof<strong>in</strong>tern - <strong>Die</strong> Rote Gewerkschafts<strong>in</strong>ternationale 1921-1937, S. 392-395.<br />

32 Siehe Sigrid Koch-Baumgarten: Aufstand der Avantgarde, Frankfurt-New York 1986, S. 418ff.<br />

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