Die Novemberrevolution 1918/1919 in Deutschland
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Unbeschwert von Tradition und unbesorgt von Nachwehen untersagte der neue<br />
M<strong>in</strong>ister durch Erlass vom 15. November jede Form von Volksverhetzung, tendenziöse<br />
und falsche Belehrungen über den Weltkrieg und dessen Ursachen sowie<br />
das Schüren von gegenrevolutionärer Propaganda <strong>in</strong> der Schule. Wörtlich lautete<br />
der Erlass: „I. Wo bisher der Geschichtsunterricht mit anderen Lehrfächern dazu<br />
missbraucht wurde, Volksverhetzung zu betreiben, hat solches <strong>in</strong> Zukunft zu unterbleiben,<br />
vielmehr e<strong>in</strong>er sachgemäßen kulturhistorischen Belehrung Platz zu<br />
machen. Alle tendenziösen und falschen Belehrungen über den Weltkrieg und dessen<br />
Ursachen s<strong>in</strong>d zu vermeiden. II. Aus den Schulbibliotheken s<strong>in</strong>d alle Bücher<br />
zu entfernen, welche Krieg an sich verherrlichen. III. In ke<strong>in</strong>em Unterrichtsfache<br />
s<strong>in</strong>d seitens der Lehrkräfte abfällige oder entstellende Bemerkungen über die Ursachen<br />
und Folgen der Revolution sowie der gegenwärtigen Regierung zu äußern,<br />
welche geeignet s<strong>in</strong>d, bei der Schuljugend das Ansehen und die Errungenschaften<br />
dieser Volksbefreiung herabzuwürdigen. IV. Es hat seitens der Schulleiter und<br />
Lehrer im Verkehr mit der Jugend alles zu unterbleiben, was geeignet ist, die Stimmung<br />
zu e<strong>in</strong>er Gegenrevolution (besonders auf dem flachen Lande) zu schüren, da<br />
solches Vorgehen im jetzigen Augenblick die größte Gefahr e<strong>in</strong>es Bürgerkrieges<br />
für unser Volk <strong>in</strong> sich birgt. V. Bis zum Erlass über Trennung der Schule und Kirche<br />
s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der von Dissidenten und solchen Andersgläubigen, für die e<strong>in</strong> Religionsunterricht<br />
im jetzigen Schulplan nicht vorgesehen ist, auf Antrag der Erziehungsberechtigten<br />
ohne jeden weiteren Nachweis vom Religionsunterricht zu<br />
befreien.“ 34 Mit der Verordnung vom 29. November „über die Stellung der Religion<br />
<strong>in</strong> der Schule“ wurden die geistliche Ortsschulaufsicht und das obligatorische<br />
Schulgebet abgeschafft, Befreiung vom Religionsunterricht erlaubt und Religion<br />
als Prüfungsfach abgesetzt. Im Erlass hieß es: „1. Das Schulgebet vor und<br />
nach dem Unterricht wird, wo es bisher noch üblich war, aufgehoben. 2. E<strong>in</strong>e<br />
Verpflichtung der Schüler seitens der Schule zum Besuch von Gottesdiensten oder<br />
anderen religiösen Veranstaltungen ist unzulässig. Auch hat die Schule ke<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>samen<br />
religiösen Feiern (z. B. Abendsmahlbesuche) zu veranstalten. Schulfeiern<br />
dürfen ke<strong>in</strong>en religiösen Charakter tragen. 3. Religionslehre ist ke<strong>in</strong> Prüfungsfach.<br />
4. Ke<strong>in</strong> Lehrer ist zur Erteilung von Religionsunterricht oder zu irgend<br />
welchen kirchlichen Verrichtungen verpflichtet, auch nicht zur Beaufsichtigung<br />
der K<strong>in</strong>der beim Gottesdienst. 5. Ke<strong>in</strong> Schüler ist zum Besuch des Religionsunterrichts<br />
gezwungen. Für Schüler unter 14 Jahren entscheiden die Erziehungsberechtigten,<br />
ob sie e<strong>in</strong>en Religionsunterricht besuchen sollen, für Schüler über 14<br />
Jahren gelten die allgeme<strong>in</strong>en Bestimmungen über Religionsmündigkeit. 6. Es ist<br />
unzulässig, im Religionsunterricht der Schule häusliche Schularbeiten, <strong>in</strong>sonderheit<br />
das Auswendiglernen von Katechismusstücken, Bibelsprüchen, Geschichten<br />
und Kirchenlieder aufzugeben.“ 35<br />
34 Geheimes Staatsarchiv Berl<strong>in</strong>-Dahlem, I. HA, Rep. 76 VI, Sekt. 1 Gen. Nr. 265, Maßnahmen der Revolutionsregierung<br />
auf dem Gebiete des Schulwesens <strong>1918</strong>-1933, Bl. 4.<br />
35 Ebenda, Bl. 40-46.<br />
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