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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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ihn ein. Sie hatte zumindest teilweise Erfolg damit. Aufgrund der guten Führung<br />

während der Haft wurden <strong>die</strong> restlichen vier Monate Zuchthaus für Isaak Löbl in<br />

zwei Monate herrschaftliche Eisenarbeit beim Landgericht umgewandelt. Isaak<br />

Löbl wurde Anfang September 1780 entlassen und per Schub nach Neubistritz<br />

gebracht. Magdalena Gallin musste <strong>die</strong> gesamte Strafzeit im Linzer Zucht- und<br />

Arbeitshaus verbringen. Mit der Beantragung eines Schubpasses für Magdalena<br />

Gallin Anfang November 1780 enden <strong>die</strong> gerichtlichen Überlieferungen.<br />

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Inquisit und <strong>die</strong> Inquisitin in den<br />

Verhören recht unterschiedliche Mittel anwandten, um ihrer jeweiligen »Wahrheit«<br />

größere Glaubwürdigkeit zu verleihen. Isaak Löbl wiederholte phrasenhaft seine<br />

Unschuldsbeteuerungen (»Ich will leben und sterben drauf!«), betonte sein Gottvertrauen,<br />

verglich sich mit Abraham und Isaak und forderte das Gericht auf, ihn<br />

nach seinem Gebet zu töten. Magdalena Gallin zeigte sich nach der Überwindung<br />

ihrer protokollierten Schamhaftigkeit dem Gericht gegenüber kooperativ. Sie berichtete<br />

detailliert von sexuellen Annäherungen ihres Arbeitgebers. Ihre Darstellung<br />

hatte allerdings weniger Kohärenz. Sie verstrickte sich in Widersprüche, auch bei<br />

jenen Fragen, <strong>die</strong> nichts oder nur indirekt mit der vermuteten sexuellen Delinquenz<br />

zu tun hatten. Ihre Glaubwürdigkeit litt durch <strong>die</strong> Schilderungen vom häufigen<br />

Alkoholkonsum, vom subsistenzsuchenden Umherziehen und von ihren Arretierungen<br />

in der Vergangenheit. Ihr schlechter Ruf ist ein durchgehendes Moment in<br />

den ZeugInnenaussagen. Aus den subjektiven Beobachtungen der gerichtlich befragten<br />

Männer und Frauen lässt sich ein deutlicher Unterschied in der moralischen<br />

Bewertung von Isaak Löbl und Magdalena Gallin erkennen. Die Ehrbarkeit der Inquisitin<br />

wurde in sexueller und ökonomischer Hinsicht in Zweifel gezogen. Es<br />

wurde ihr nachgesagt zu stehlen und zu trinken, und man beobachtete, dass sie »verdächtig«<br />

mit einem Juden herumzog. KeineR der befragten ZeugInnen sagte Isaak<br />

Löbl etwas Schlechtes nach. Dennoch spekulierte der Rechtsgutachter im Parere<br />

über <strong>die</strong> allgemeine sexuelle Gefahr, <strong>die</strong> von herumziehenden Juden ausgehe. In<br />

den amtlichen Schreiben des Rechtsgutachters an den Landgerichtsverwalter trat<br />

<strong>die</strong>se Fantasie gepaart mit Zynismus auf. Magdalena Gallin entsprach nicht der konstruierten<br />

Figur einer tugendsamen Christin, also wurde sie als liederliches Weibsbild<br />

stigmatisiert. Die entmenschlichenden und pejorativen Bezeichnungen für<br />

Isaak Löbl und Magdalena Gallin korrespon<strong>die</strong>ren mit der Verwerflichkeit der vorgeworfenen<br />

sexuellen Delikte. Der Vergleich mit einem Ziegenbock und einer Geiß<br />

unterstrich <strong>die</strong> »Bestialität«, <strong>die</strong> Widernatürlichkeit, <strong>die</strong> den protokollierten sexuellen<br />

Praktiken aus juristischer Perspektive anhing.<br />

Wenn Magdalena Gallin zu einem »jüdischen Schleppsack« verdinglicht wird, so<br />

impliziert <strong>die</strong>se Bezeichnung auch ein bestimmtes Geschlechterbild: sie wird als<br />

Objekt eines Mannes betrachtet. Als Vagierende hatten Isaak Löbl und Magdalena<br />

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