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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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gungen des gegen ihn bzw. sie lancierten Strafprozesses in Frage, was wahrscheinlich<br />

nicht nur am Respekt vor dem herrschaftlichen Gericht, sondern auch an den<br />

fehlenden juristischen Kenntnissen lag. Narrative Einschübe kamen in den Protokollen<br />

jedoch gelegentlich vor, wenn sie auch nicht immer zum Vorteil der Erzählenden<br />

gereichen sollten. Magdalena Gallin hatte dem Gericht verschiedene<br />

Geschichten offeriert, weshalb sie zum Zeitpunkt ihrer Verhaftung zwei fremde<br />

Schlüssel bei sich hatte. Sie schadete sich mit <strong>die</strong>sen und auch anderen Erzählungen<br />

– etwa, dass sie zum Schein auf das Angebot Isaak Löbls eingehen wollte,<br />

ihm ihre sexuellen Dienste für den von ihm dafür versprochenen <strong>Natur</strong>allohn<br />

(Karton) zu leisten, aber eigentlich vorhatte, ihn zu überlisten, indem sie den<br />

Karton nehmen und davonlaufen wollte – letztlich mehr als dass ihr <strong>die</strong>se geholfen<br />

hätten. Es ist daher sinnvoll, den bewussten oder auch unbewussten Einsatz<br />

bestimmter sprachlicher Mittel in ihrem jeweiligen Kontext zu betrachten.<br />

Während <strong>die</strong> Verhörenden mit teils suggestiven Fragen und <strong>die</strong> InquisitInnen mit<br />

teils strategischen Aussagen diametrale Interessen verfolgten, konnten der Inhalt<br />

und <strong>die</strong> Intention von ZeugInnenaussagen im Hinblick auf <strong>die</strong> InquisitInnen von<br />

unterstützend-positiv über neutral-gleichgültig bis hin zu denunziatorisch-negativ<br />

reichen. Räumliche und emotionale Nähe zum Inquisiten sowie ein ähnlicher<br />

sozialer Status machten ZeugInnenaussagen tendenziell zu positiven, gegebenenfalls<br />

mitleiderfüllten Berichten über <strong>die</strong> Beschuldigten. Zwar wurden sodomitische<br />

Praktiken, besonders jene mit Tieren, einhellig als schwere Sünde aufgefasst, doch<br />

bedeutete <strong>die</strong>s keineswegs, dass Ehefrauen, gutgesonnene NachbarInnen oder<br />

Verwandte einen vertrauten Menschen auf den Scheiterhaufen oder in <strong>die</strong><br />

Verbannung bringen wollten. Emotionale und ökonomische Motive der Fürsprache<br />

konnten miteinander verschmelzen. So bekräftigte Eva Doppelhammerin vor dem<br />

Freistädter Landgericht nicht nur, dass ihr Mann Georg gewiss keine Sodomie<br />

begangen habe, sondern bat zugleich, dass er aus der Untersuchungshaft entlassen<br />

werden möge, weil sie ihn für <strong>die</strong> »Wirtschaft« benötige und mit den kleinen<br />

Kindern alleine nicht zurecht komme. Mit ihren Aussagen hatte sie großen Anteil<br />

daran, dass Georg Doppelhammer schließlich freigesprochen wurde. 289 Soziale<br />

Differenz und emotionale Ferne (im besten Fall Indifferenz, im schlechtesten Fall<br />

Hass) machten das Eintreten von ZeugInnen für einen mutmaßlichen Sodomiten<br />

vor Gericht dagegen unwahrscheinlich. So beschrieb <strong>die</strong> Magd Sophia Stainbergerin<br />

im Jahr 1699 ohne großes Zögern, dass sie den Altbauern Georg Dörffl dabei<br />

beobachtet habe, wie er seine Kuh sodomisierte. Versuchten Fremde, wie etwa das<br />

vagierende Bettlerehepaar im Prozess gegen Johannes Pichler 1721, einen Ortsansässigen<br />

mit gutem Leumund der Sodomie zu bezichtigen, so konnte der Denunzierte<br />

mit dörflicher, ja sogar herrschaftlicher Solidarität rechnen. So zeigte sich<br />

auch der Hauser Landgerichtsverwalter, nachdem ein dem Pichler-Bauern benach-<br />

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