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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Belege zu nennen. Hans von Hentig zitiert in seiner 1954 erschienenen Publikation<br />

über Strafen wiederum Berkenhoff: »Neben dem vernichteten Tier wird auch <strong>die</strong><br />

Erinnerung an den argen Fall verbrannt. Die Prozeßakten werden dem Feuer überliefert.<br />

Ob sie auch in Wasser gestreut wurden, erfahren wir nicht« (Hentig<br />

1954:318). Etwas vorsichtiger in der Formulierung ist Arend H. Huussen: »In the<br />

case of trials against sodomites it even seems that some were burned along with<br />

their files« (Huussen 1985:170f), während Midas Dekkers für <strong>die</strong> Aktenverbrennungsthese<br />

keine Quellen nennt (Dekkers 1994:163).<br />

Abgesehen von einer mutmaßlichen Verbrennung der eigentlichen Prozessakten<br />

wurden <strong>die</strong> Protokollbögen, auf denen <strong>die</strong> einzelnen Untersuchungsschritte notiert<br />

worden waren, vermutlich nach Beendigung eines Prozesses (d.h. nach der Übertragung<br />

in Reinschrift und/oder der Zusammenfassung in einem Gerichtsbuch) für<br />

andere Zwecke verwendet. Mehrfach und mit unterschiedlichen Belangen beschriebene<br />

Bögen und Blätter, wie wir sie nicht selten in den Archiven finden, verweisen<br />

auf <strong>die</strong>se Wiederverwertungspraxis. Schließlich muss auch mit einer<br />

Dunkelziffer von sexueller Devianz gerechnet werden, <strong>die</strong> sich kaum einschätzen<br />

lässt.<br />

Bei meinen Recherchen im Oberösterreichischen Landesarchiv (OÖLA), im<br />

Niederösterreichischen Landesarchiv (NÖLA) sowie im Wiener Stadt- und<br />

Landesarchiv (WStLA) konzentrierte ich mich vorerst auf Überlieferungen der<br />

landgerichtlichen Ebene. Als ein mit Leibes- und Lebensstrafen bedrohtes Delikt<br />

durfte Sodomie nicht auf der durch <strong>die</strong> Grundherrschaften repräsentierten niedergerichtlichen<br />

Ebene verhandelt, sondern musste von den zuständigen Landgerichten<br />

verfolgt werden. Deshalb erschien es mir zielführend, in einem ersten<br />

Schritt in den Rechnungen, Gerichtsprotokollbüchern und Prozessakten verschiedener<br />

Landgerichte nach Spuren des tabuisierten Delikts zu suchen. Unter den vielen<br />

Angelegenheiten, <strong>die</strong> von Landgerichten geregelt wurden, war <strong>die</strong> Malefizgerichtsbarkeit<br />

nur ein Aufgabenbereich. Deshalb empfahl es sich, archivspezifische<br />

Suchbehelfe heranzuziehen. Ein besonders wertvoller Suchbehelf, der<br />

ArchivbenützerInnen einen schnelleren Zugriff zu bestimmten Aspekten der landgerichtlichen<br />

Tätigkeit ermöglicht, ist das Mitte des 20. Jahrhunderts im OÖLA<br />

angelegte »Landgerichtsquerverzeichnis« (Q 25), das <strong>die</strong> Malefizprozesse einer<br />

bestimmten Herrschaft jeweils bestimmten Delikt(grupp)en zuordnet. Die materielle<br />

Ordnung der Akten in den Kartons entspricht weitestgehend der Gruppierung<br />

im Querverzeichnis. Da es aber nicht wenige Gerichtsprozesse gab, in denen mehrere<br />

Delikte verhandelt wurden, war es notwendig, von den vorgezeichneten<br />

Wegen des deliktorientierten Aktenlesens abzuweichen. Nur so konnte ich beispielsweise<br />

den sehr gut überlieferten Prozess gegen Isaak Löbl und Magdalena<br />

Gallin überhaupt entdecken. Er befand sich in einem Karton, in dem hauptsächlich<br />

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