Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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arkeit und war somit vom Landgericht Wartenburg exemt. Der Name Wartenburg<br />
für <strong>die</strong> Herrschaft und das Landgericht bürgerte sich deshalb ein, weil <strong>die</strong><br />
Polheimer Landgerichtsherren auf Schloss Wartenburg wohnten und der Pfleger<br />
von Wartenburg <strong>die</strong> Funktion des Landrichters innehatte (Strnadt 1908:271).<br />
Nichtsdestotrotz war es eine festgeschriebene Tradition, <strong>die</strong> Wartenburger Landgerichtstaidinge<br />
in Schwanenstadt abzuhalten (Zauner 1971:157f). Das Schloss<br />
Wartenburg selbst lag wiederum im Landgericht Kamer, was zur Folge hatte, dass<br />
mutmaßliche MalefikantInnen aus der Hofmarch des Schlosses an das Landgericht<br />
Kamer ausgeliefert werden mussten (Strnadt 1908:175). Das ohnehin schwierig zu<br />
durchschauende Gerichtssystem wurde durch territoriale Streuungen und lokale<br />
Besonderheiten zusätzlich verkompliziert.<br />
Untersuchungshäftlinge wurden bis zur Abhaltung eines Rechtstages oder Banntaidings<br />
im Schlossbereich, konkret dem sogenannten »Tiefen Turm« gefangengehalten.<br />
Der Landgerichtsverwalter führte stellvertretend für den Landgerichtsherrn<br />
<strong>die</strong> Ermittlungen durch. Erst unmittelbar vor dem Rechtstag wurden <strong>die</strong> InquisitInnen<br />
vom Wartenburger Schloss hinunter ins Schwanser Schrannenhaus<br />
gebracht. Dort tagten der landesfürstliche Bannrichter, der Landgerichtsherr bzw.<br />
sein Verwalter, <strong>die</strong> Amtleute und einige ausgewählte Schöffen, <strong>die</strong> sich aus den<br />
sogenannten Freiaignern, das heißt Bauern mit besonderem Rechtsstatus, rekrutierten<br />
(Feigl 1974:79-94). Vor dem Schrannenhaus befand sich <strong>die</strong> Dingstätte, der Ort<br />
an dem <strong>die</strong> Landgerichtstaidinge stattfanden. Die Verhöre mit den MalefikantInnen<br />
und <strong>die</strong> Beratungen des Richterkollegiums fanden hinter verschlossenen Türen im<br />
Schrannenhaus statt. Lediglich das Urteil wurde im Freien verkündet. Zu einem<br />
Bann- bzw. Landgerichtstaiding oder Rechtstag wurden alle freiaigenen Bauern des<br />
Landgerichtsbezirks »mit bewehrter Hand« einberufen (Strnadt 1912:992-997). Im<br />
17. Jahrhundert wurde <strong>die</strong> Dingstätte vorübergehend in das Schloss Wartenburg<br />
»unter <strong>die</strong> Linde« verlegt, ab 1722 wurden <strong>die</strong> Taidinge in Timlkam abgehalten.<br />
Fanden <strong>die</strong> unberufenen, das heißt routinemäßig stattfindenden Landgerichtstaidinge<br />
im 16. und frühen 17. Jahrhundert noch dreimal jährlich statt, nämlich am Donnerstag<br />
vor Lichtmess (2. Februar), vor Georgi (24. April) und vor Michaeli (29. September),<br />
so wurde ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts nur noch das Taiding im<br />
September regelmäßig abgehalten. Außerhalb <strong>die</strong>ser Termine fanden berufene Taidinge<br />
zur Abhaltung von Malefizprozessen statt (OÖW 3/1958:468f). Mit der im 17.<br />
Jahrhundert zunehmenden Aktenversendung an Rechtsgelehrte der Linzer Landeshauptmannschaft,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Urteilsschöpfung durch Schöffen ersetzte, reduzierte sich<br />
<strong>die</strong> Anzahl der jährlichen Landgerichtsversammlungen. Ursprünglich eine freiwillige<br />
Angelegenheit, <strong>die</strong> einem Landgerichtsherrn als Alternative zur Einberufung der<br />
(juristisch nicht ausgebildeten) Schöffen offenstand, wurde <strong>die</strong> rechtliche Begutachtung<br />
bei schwerwiegenden Delikten wie Gotteslästerung, Zauberei, Giftmord,<br />
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