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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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stellte den (namentlich nicht genannten) Jungen zur Rede, hatte aber letztlich<br />

Mitleid und ließ ihn wieder laufen. Der Vorfall dürfte zum Thema des dörflichen<br />

Klatsches geworden sein. Nur drei Tage, nachdem Catharina Gräfin den mutmaßlichen<br />

Sodomiten hatte laufen lassen, wurden sie und der Tagwerker gerichtlich<br />

einvernommen. Vom Obernberger Landgericht unter Legitimationszwang gebracht,<br />

begründete Catharina Gräfin ihre Handlungsweise damit, dass der Junge sie<br />

angefleht habe, ihn gehen zu lassen. Er habe ihr zudem versprochen, zehn<br />

Rosenkränze für sie zu beten. Neben dem christlich motivierten Mitleid führte sie<br />

auch ihre physische Schwäche, <strong>die</strong> ihr fehlende Amtsgewalt sowie <strong>die</strong> unterlassene<br />

Unterstützung durch den Tagwerker als Argumente für das Laufenlassen des<br />

Jungen an. Sie habe ihn deshalb »<strong>wider</strong> loß gelassen, alß sie ohnedis nicht <strong>die</strong><br />

mächten gehabt den buben, weilen ihr der tagwercher nicht geholffen [...] fortzufihren«.<br />

258 Ob, – und wenn ja, wie – der mutmaßliche Sodomit vom Landgericht<br />

bestraft wurde, geht aus den überlieferten Akten nicht hervor.<br />

Jacob Wadtsackh hatte keinen guten Leumund. Die Schlossherrin von Kröllendorf<br />

bezeichnete den 24-jährigen »Viechhalter« (Hirten) als einen »brösthafften 259 ,<br />

mieheselligen Menschen«, der in Verdacht stand, ihrem Meier Geld und ihrem<br />

Schreiber ein Paar Strümpfe gestohlen zu haben. Deshalb habe sie auch Jacobs<br />

Mutter zu sich gerufen und sie eindringlich ermahnt, etwaige gestohlene Sachen<br />

aus dem Schloss zurückzugeben. 260 Die leider nicht mehr überlieferte (jedoch<br />

rekonstruierbare) Anfrage des Ulmerfelder Hauptmanns und Landgerichtsverwalters,<br />

auf welche <strong>die</strong> Herrin von Kröllendorf mit ihrem Schreiben reagierte,<br />

hatte einen anderen Hintergrund. Jacob Wadtsackh war wegen des Verdachts der<br />

Sodomie verhaftet worden. Der Landgerichtsverwalter versuchte Indizien zur<br />

Erhärtung der kursierenden Gerüchte zu sammeln: der Sodomieverdacht sei<br />

»schon in der ganzen nachbarschafft ruchbar worden«, deshalb habe er den Verdächtigen<br />

zur Vermeidung eines öffentlichens Skandals verhaften lassen. 261 Auch<br />

wenn <strong>die</strong> Nachfrage bei der ehemaligen Arbeitgeberin keine Bestätigung des<br />

Verdachts ergab, hatte Jacob Wadtsackh vor Gericht zugegeben, sich im Alter von<br />

16 und 18 Jahren zweimal mit Kühen versündigt zu haben. Beim ersten Mal habe<br />

ihn sein Vater dabei erwischt, »welcher ihn hernach in <strong>die</strong> Stube gespört, und mit<br />

einer Gaisl geschmissen«. 262 Beim zweiten Mal sei er von seinem jüngeren Bruder<br />

ertappt worden, als er »mit einer weiss, und roth rukheten Khue, welche auch seinem<br />

Vatter gehörig gewesen, zu thuen gehabt«. Als der Vater davon erfuhr, sah er<br />

wieder von einer gerichtlichen Anzeige ab, verschärfte aber das Strafmaß, indem<br />

er Jacob Wadtsackh »3 tag in der Stuben eingespört, und alle tag geprüglet« habe. 263<br />

Die Bestrafung durch den Vater dürfte schmerzhaft und einprägsam gewesen sein.<br />

Jedenfalls sagte Jacob Wadtsackh aus, dass er sich danach nie wieder mit einem<br />

Tier »versündigt« habe. 264 180

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