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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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In der Frühen Neuzeit spielte <strong>die</strong> Abgrenzung von Menschen und Tieren nicht nur<br />

in philosophisch-theologischen und naturwissenschaftlichen Debatten eine Rolle,<br />

sondern sie trat auch im sozialen und rechtlichen Bereich zu Tage. Menschen, <strong>die</strong><br />

nicht der hegemonial definierten Norm entsprachen, <strong>die</strong> also in irgendeiner Weise<br />

von den gesellschaftlich herrschenden Gruppen als anders bewertet wurden, liefen<br />

Gefahr, den Status des vollwertigen Menschseins zu verlieren. Sie wurden, um mit<br />

Keith Thomas zu sprechen, mit der »Waffe der Entmenschlichung« geschlagen<br />

(Thomas 1984:43-50). Ethnisch und/oder religiös fremde, psychisch kranke, vagierende<br />

und delinquente Personen waren aus der Perspektive der Herrschenden oft<br />

den Tieren näher als den Menschen. Auch Hermaphroditen, Schimpansen und<br />

»Wilde« wurden in einigen naturwissenschaftlichen Texten der Frühen Neuzeit als<br />

Zwischenwesen, als tierisch-menschliche Hybride gezeichnet (Gilbert 2002:150-<br />

170). Ausgehend von der Galen’schen Säftelehre, <strong>die</strong> bis weit ins 18. Jahrhundert<br />

hinein <strong>die</strong> Lesart menschlicher Charaktere bestimmte, wurden Menschen nach<br />

Alter, Geschlecht, körperlicher Konstitution und vorherrschendem Körpersaft<br />

unterschiedliche »Komplexionen« zugeschrieben, <strong>die</strong> Verhalten und Wesensart<br />

beeinflussten (Groebner 2002:173-188). In der protestantischen Hausväterliteratur<br />

wurde etwa übermäßiger Alkoholgenuss dafür verantwortlich gemacht, dass der tierisch-rohe<br />

Charakter eines Menschen zu Tage trete. Je nach vorwiegendem und<br />

Der Trincker, Kupferstich vor 1614, 24,8 x 31,1 cm.<br />

Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek, Sign. IE 86 79<br />

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