02.11.2013 Aufrufe

Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

einer Fremden erregte den Argwohn der durch <strong>die</strong> Feuersbrunst geschädigten<br />

Einheimischen. Magdalena Gallin wurde ohne nähere Angabe einer Ursache arretiert<br />

und nach drei Wochen Untersuchungshaft wieder entlassen. Ein zweites Mal<br />

war sie im Februar 1779 eingesperrt worden, weil sie auf der Suche nach einem<br />

Nachtquartier den Leopoldschlager Inwohner Joseph Haydinger beschimpft und<br />

bedroht hatte. Da aber <strong>die</strong> aus den Marktbewohnern rekrutierten Wachen neben der<br />

zu Bewachenden einschliefen, konnte Magdalena Gallin der weiteren gerichtlichen<br />

Untersuchung entkommen.<br />

Isaak Löbl gehörte der ärmeren Schicht jüdischer Händler in Böhmen an. 66 Zum<br />

Zeitpunkt seiner Verhaftung war er mehr als 30 Jahre mit seiner Frau Anschitzky<br />

bzw. Fromet (Frumet) 67 verheiratet und hatte fünf Kinder mit ihr. Im Unterschied<br />

zu seinen beiden Brüdern Joseph und Salomon, <strong>die</strong> jeweils eine Pottaschesiederei,<br />

der eine in Böhmen, der andere in Mähren gepachtet hatten, handelte er mit Kurzwaren<br />

in Südböhmen und dem östlichen Mühlviertel. 68 Mit dem An- und Verkauf<br />

von Leinwand, Fellen, Karton (Stoff) und ähnlichen Dingen war er für <strong>die</strong> ländliche<br />

Bevölkerung von ökonomischem Nutzen. Zugleich bewegte er sich aber in<br />

einer Grauzone zur Illegalität. Abgesehen vom Handel auf den Linzer Hauptmärkten<br />

war Juden das Hausieren in Österreich ob der Enns seit 1772 verboten. 69<br />

Zudem zog Isaak Löbl gesetzeswidrig ohne Pass umher. Im Gegensatz zu der noch<br />

bestehenden Verbindung mit seinen Brüdern hatte er mit seinen beiden verheirateten<br />

Schwestern keinen Kontakt mehr. Von seinen vier Söhnen waren zwei Tuchhändler<br />

in Böhmen, <strong>die</strong> beiden anderen handelten mit »Geschmeid« (Schmuck) in<br />

Ungarn. Die einzige Tochter war ledig und bei dem Bestandjuden Joel Pinkas,<br />

einem Onkel mütterlicherseits, in Neubistritz be<strong>die</strong>nstet. Isaak Löbls Ehefrau<br />

Fromet arbeitete als Köchin bei verschiedenen jüdischen Familien in Mähren.<br />

Während des Verfahrens war sie für das Gericht nicht auffindbar, weshalb sie auch<br />

nicht einvernommen werden konnte. Isaak Löbl war noch nie zuvor verhaftet worden.<br />

Verdächtig gemacht hatten sich Isaak Löbl und Magdalena Gallin in den Augen<br />

der Obrigkeiten, weil sie Fremde waren. Wie wir aus dem ersten artikulierten<br />

Verhör mit Isaak Löbl erfahren, glaubte er, arretiert worden zu sein, weil er ohne<br />

Pass ins Mühlviertel eingereist war. Allerdings wurde ihm <strong>die</strong>se Vermutung von<br />

den Verhörenden, dem Landgerichtsverwalter Kilian Thonmayr und seinen Beisitzern,<br />

dem Neumarkter Marktrichter Franz Winkler, dem Schenkenfelder Marktrichter<br />

Johann Georg Planckh sowie dem als Gegenhandler (Kontrollor) angeführten<br />

Joseph Züllich, fast in den Mund gelegt. Noch vor der üblichen Frage nach der<br />

Ursache seiner Verhaftung, war Isaak Löbl nämlich aufgefordert worden, einen<br />

Pass beziehungsweise eine Kundschaft vorzuweisen. Magdalena Gallin glaubte<br />

ihre Verhaftung hingegen darin begründet, dass sie mit einem Juden unterwegs<br />

84

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!