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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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fortpflanzungsorientierten Sex bezeichnet (Johansson/Percy 1996:156). Frühneuzeitliche<br />

Juristen differenzierten <strong>die</strong> unterschiedlichen Ausprägungen der Sodomie<br />

ebenfalls häufig am Sexualobjekt: Sodomie mit sich selbst, mit einem anderen<br />

Menschen oder mit einer anderen Spezies. In der frühneuzeitlichen juristischen<br />

Literatur, also in Gesetzeskommentaren und Handbüchern, aber auch in rechtlichen<br />

Gutachten wurden meist lateinische Begriffe wie crimen sodomiae, peccatum<br />

contra naturam oder bestialitas verwendet. Der Einsatz lateinischer Begriffe hing<br />

vermutlich nicht nur mit der Demonstration des Bildungsstands der Rechtsgelehrten<br />

zusammen, sondern hatte wohl auch mit der Verwerflichkeit des Sprechens<br />

über das »Unaussprechliche« zu tun. Während <strong>die</strong> Verhörprotokolle durchaus<br />

detaillierte Beschreibungen sodomitischer Praktiken zu Tage förderten, betonten<br />

juristische Handbücher und Kommentare immer wieder ihre Abscheu vor der<br />

näheren Beschreibung des verwerflichen Handelns. Als Verwerflichste aller sodomitischen<br />

Praktiken galt <strong>die</strong> »Vermischung« mit einem Tier. Bestialität wurde –<br />

wie bereits gezeigt – in deutschsprachigen juristischen Handbüchern meist nur sehr<br />

knapp und unter Hinweis auf das Tabu, darüber auf Deutsch zu schreiben, 270<br />

erwähnt. Dies zeigt sich auch im Vergleich der lateinischen, französischen und<br />

deutschen Version von Damhouders Praxis rerum criminalium. Die Ausführungen<br />

zur Sodomie variieren quantitativ je nach verwendeter Sprache und Erscheinungsjahr.<br />

Am ausführlichsten beschäftigt sich <strong>die</strong> lateinische Fassung von 1546 mit<br />

dem peccatum contra naturam. In 35 Absätzen werden <strong>die</strong> verschiedenen Ausprägungen<br />

der Sodomie und deren angemessene Bestrafung erläutert. 271 In der französischen<br />

Fassung von 1555 sind es 12 Absätze, <strong>die</strong> von »le peche contre nature«<br />

berichten, 272 in der deutschen Fassung von 1581 handeln lediglich 6 Absätze von<br />

»Vnnatürlicher oder Sodomitischer Sünde«. Diese quantitative Differenz lässt sich<br />

zumindest teilweise mit einer Tabuisierung der »stummen Sünde« erklären. Der<br />

Übersetzer Michael Beuther von Carlstatt, der Jost Damhouders lateinische Fassung<br />

der Praxis rerum criminalium »in hoch Teutsche Sprach mit fleiß verwandelt,<br />

vnd an vielen orten, der gelegenheit nach, etwas kürzer eyngezogen« hat, übt gerade<br />

bei den Ausführungen zu <strong>die</strong>sem Delikt Zensur, wenn er etwa schreibt:<br />

»Von <strong>die</strong>sen vnnatürlichen, vnn gemeiner <strong>Natur</strong> gar <strong>wider</strong>strebenden Lastern der<br />

Vnkeuschheit, könte man wol etwas weitleufftiger schreiben. Dieweil aber solcher<br />

Handel, jrer grewlichen abschewlichkeit halben, gegen ehrlichen Leuten, kein ehrliebender<br />

gern gedencken mag, wil ichs alhie bey jetzigem bericht beruhen, vnd den einfältige<br />

Leser mit vnnötigen außschweifffen vnbeschwert lassen«. 273<br />

Weder in der französischen noch in der lateinischen Fassung findet sich eine vergleichbare<br />

Bemerkung. Der Übersetzer fand es offensichtlich auch nicht notwen-<br />

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