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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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in den Blick genommen. Bei allen Fallbeispielen geht es auch um Fragen der<br />

Gerichtspraxis: Wie verlief ein Malefizprozess im späten 16. Jahrhundert, wie im<br />

17. und wie im frühen 18. Jahrhundert? War Sodomie <strong>die</strong> einzige Anschuldigung<br />

oder bloß einer von vielen Anklagepunkten? In welchem Kontext stand <strong>die</strong><br />

Verfolgung sexueller Devianz im Einzelfall?<br />

Um einzelne Fallbeispiele besser verorten und gewichten zu können, habe ich als<br />

zweiten Analyseschritt einen quantifizierenden und vergleichenden Zugang<br />

gewählt. Was lässt sich aus dem Blick auf <strong>die</strong> Gesamtheit der Quellen herausfinden?<br />

Was sagen <strong>die</strong> Überlieferungen im Vergleich zueinander aus? Wie viele<br />

Menschen wurden wegen Sodomie zum Tode verurteilt? Wie viele tatsächlich hingerichtet?<br />

Welche Tiere waren am häufigsten betroffen? Was geschah mit ihnen?<br />

Wo wurde <strong>die</strong> »<strong>wider</strong>natürliche Sünde« praktiziert? Wodurch wurde eine gerichtliche<br />

Verfolgung sodomitischer Praktiken ausgelöst? In welchen sozialen, ökonomischen<br />

und politischen Kontexten standen Sodomieprozesse? Wie wurde über<br />

Sodomie geredet? Was wurde protokolliert? Welche Strategien und Interessen verfolgten<br />

Verhörende, ZeugInnen und InquisitInnen? Wie wurden sodomitische<br />

Handlungen durch Richter und Rechtsgutachter beurteilt?<br />

Dieser qualitativen und vergleichenden Untersuchung der gerichtlichen Verfolgungspraxis<br />

vorangestellt ist eine Darstellung des wesentlich vom theologischen<br />

Konstrukt beeinflussten juristischen Begriffs der Sodomie. Gefragt wird, wie<br />

Sodomie im Strafrecht des Untersuchungsgebietes gedacht, formuliert, definiert,<br />

differenziert und tra<strong>die</strong>rt wird. Welche gesetzlichen Bestimmungen gab es im<br />

Untersuchungsgebiet? Welchen Einfluss hatte <strong>die</strong> herrschende Geschlechterordnung<br />

auf <strong>die</strong> strafrechtliche Definition der Sodomie? Was empfahlen juristische<br />

Handbücher und Kommentare? Welche diskursiven Veränderungen lassen sich am<br />

Delikt der Sodomie vom frühen 16. bis ins ausgehende 18. Jahrhundert feststellen?<br />

Welche Rolle spielte <strong>die</strong> Religion bzw. Konfession im Strafrecht?<br />

1.1. Forschungsstand<br />

»Eine systematische Untersuchung über <strong>die</strong> Sodomie im frühneuzeitlichen<br />

Erzherzogtum Österreich [...] fehlt bislang« (Hergemöller 1999:82). Dieser Befund<br />

von Bernd-Ulrich Hergemöller aus dem Jahr 1999 charakterisiert ein lange Zeit<br />

bestandenes Forschungsdesiderat. Während für andere europäische Länder eine<br />

Reihe kriminalitäts-, sexualitäts- und geschlechtergeschichtlicher Stu<strong>die</strong>n vorliegen<br />

(Hergemöller 1999:78-90), ist unser Wissen darüber, ob und wie im frühneuzeitlichen<br />

Österreich sexuelle Praktiken verfolgt wurden, <strong>die</strong> unter den Begriff<br />

peccatum contra naturam oder sodomia subsumiert werden konnten, äußerst<br />

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