Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

Polarisierung der menschlich-vernünftigen und der tierisch-instinktiven Natur
wohl nur von untergeordneter Bedeutung gewesen sein. Mehr von praktischer
Relevanz für das Mensch-Tier-Verhältnis in der Frühen Neuzeit, vor allem hinsichtlich
des Umgangs der ländlichen Bevölkerung mit den Nutztieren, waren der
materielle und symbolische Wert verschiedener Tiere. Entlang der Kriterien essbar/ungenießbar,
zahm/wild und nützlich/schädlich wurden Nutztiere von
Lusttieren, Jagdtieren, Wildtieren, Ungeziefer und Raubtieren abgegrenzt.
»Nutz=Vieh« war nach Zedlers Universal-Lexikon jede Art von nutzbarem Vieh.
Jutta Nowosadtko fasst darunter die im frühneuzeitlichen Mitteleuropa üblichen
domestizierten Haustiere, also vornehmlich: Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde,
Schweine, Esel, Hunde, Katzen, Hühner, Gänse und Enten. Die Zucht von
Kaninchen, Pfauen, Tauben, Puten, Karpfen, Bienen und Seidenraupen erklärt sie
demgegenüber zu einer Mode- und Prestigeerscheinung der merkantilistischen
Wirtschaftsförderungspolitik (Nowosadtko 1998:249). Die Zusammensetzung der
Viehbestände auf dem Land war nicht nur regional- und konjunkturspezifisch
unterschiedlich, sondern die Tiere spiegelten auch den sozialen Status ihrer
BesitzerInnen, d.h. ständisch-hierarchische Zuschreibungen der TierbesitzerInnen
gingen art- und zweckdifferenzierend auf die Tiere über. Ein Hund, der zum Jagen
ausgebildet war oder eine Schafherde bewachte, genoss einen höheren Status als
ein »herrenlos« umherstreunender Hund. Pferde waren in vielen Gebieten im landwirtschaftlichen
Einsatz aufgrund ihres höheren Prestiges beliebter als die materiell
genügsameren Zugochsen (Knittler 1999:207-221). Der Gemeindebulle war
als kollektiver Besitz zum Zweck der Rinderzucht mit einem besonders hohen
symbolischen und materiellen Wert versehen. Keine Milchkuh konnte je einen so
exponierten Status erreichen (Nowosadtko 1998:254-265).
Galt der Gemeindebulle auch als ranghöchstes Rind, so war es doch ziemlich
rufschädigend und ehrenrührig, mit diesem gleichgesetzt zu werden. Nicht nur,
dass die verbale Entmenschlichung als solche beleidigenden Charakter hatte, auch
die sexuelle Integrität eines Mannes wurde mit dieser Beschimpfung in Zweifel
gezogen. Der mehr oder weniger direkt geäußerte Vorwurf der Sodomie war im
Unterschied zu anderen Verbalinjurien, die sich gegen Männer richteten, eine
Beleidigung, die die sexuelle Ehre angriff. Während der Leumund bzw. die
Integrität von Frauen in der Frühen Neuzeit häufig über sexuelle Vorwürfe (verschiedenste
Derivate und Synonyme des Begriffs Hure) in Frage gestellt wurde,
waren die Schimpfnamen, mit denen Männer bedacht wurden, eher in sozioökonomischer
Hinsicht beleidigend (Schelm, Dieb, u.ä.). Eine Ausnahme bildete der
Sodomievorwurf (Burghartz 1990:131). Ein Mann, der auf seine Ehre achtete,
konnte es sich daher nicht leisten, eine Sodomiebeschuldigung auf sich sitzen zu
lassen. Das zeigt auch eine Klage, die 1663 in Neumarkt an der Ybbs anhängig
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