Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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Geständnis des Inquisiten vertraut werden. Ferdinand Bratsch ermahnte in seinem<br />
Mitte des 18. Jahrhunderts erschienenen Handbuch zur Ferdinandea <strong>die</strong> Richter,<br />
sich zusätzlich abzusichern. Es sollten entweder ZeugInnen gesucht oder besser<br />
noch der Inquisit nach seiner genauen Vorgangsweise befragt werden, um zu eruieren,<br />
ob er sich etwa eines Hilfsmittels be<strong>die</strong>nt habe. Das Gericht müsse <strong>die</strong><br />
Angaben des Inquisiten auf ihren Realitätsgehalt überprüfen, gegebenenfalls seine<br />
Körpergröße mit jener des Tieres vergleichen.<br />
Die Verbalisierung und Verschriftlichung des »Unaussprechlichen« vor Gericht<br />
ging ins Detail. Die Inquisiten mussten genau über ihre Praktiken berichten,<br />
ZeugInnen sollten beschreiben, was sie beobachtet hatten, und <strong>die</strong> Verhörenden<br />
fragten nach. Die Intensität des Sprechens über sodomitische Praktiken vor Gericht<br />
scheint, gehen wir vom Protokollierten aus, in der zweiten Hälfte des 17. und während<br />
des 18. Jahrhunderts zuzunehmen. Im Vergleich mit Gerichtsprotokollen zu<br />
anderen Delikten fällt aber auf, dass es sich bei den ausführlicheren Berichten um<br />
eine allgemeine Tendenz handelt, <strong>die</strong> sich auf genauere prozessrechtliche<br />
Bestimmungen zurückführen lässt. Das detaillierte Sprechen und Schreiben über<br />
Sodomie fand hinter verschlossenen Türen statt. Nach außen hin sollte, so <strong>die</strong> normativen<br />
Vorgaben, das »Unaussprechliche« möglichst in Schweigen gehüllt werden.<br />
In der Praxis dürften aber Urteilsverlesung und Strafvollzug den Straftatbestand<br />
der Sodomie offensichtlich gemacht haben, etwa wenn das Delikt Sodomie<br />
im Endurteil erwähnt und/oder gemeinsam mit dem Delinquenten eine Kuh, ein<br />
Pferd oder ein Schwein verbrannt wurde.<br />
Der strafrechtliche Umgang mit Sodomie war von Widersprüchen geprägt. Dies<br />
zeigten unter anderem einige Resolutionen, <strong>die</strong> im späten 17. und frühen 18.<br />
Jahrhundert hinsichtlich der Verbrennung von Sodomiten erlassen worden waren.<br />
Inhalt <strong>die</strong>ser Resolutionen war, dass der zum Feuertod Verurteilte noch vor dem<br />
Anzünden des Scheiterhaufens unauffällig erdrosselt werden sollte, um ihm unnötiges<br />
Leid zu ersparen. Um den Effekt der Abschreckung nicht zu gefährden, sollte<br />
das Hinrichtungspublikum <strong>die</strong>se »Gnade« aber nicht bemerken. Es sollte den<br />
Eindruck gewinnen, dass <strong>die</strong> habsburgischen Landesfürsten bzw. <strong>die</strong> Landesfürstin<br />
mit aller Strenge gegen das »allerabscheulichste Laster der Sodomie« vorgingen,<br />
und, dem Strafgesetz folgend, Sodomiten bei lebendigen Leibe verbrannt wurden.<br />
War noch in der Ferdinandea das diskrete Verschweigen der sodomitischen<br />
Praktiken bei der Urteilsverlesung nahegelegt worden, um andere nicht erst auf den<br />
Gedanken der Nachahmung zu bringen, so verweisen <strong>die</strong> Resolutionen auf <strong>die</strong><br />
gegenläufige Strategie der Abschreckung, <strong>die</strong>, um effektvoll zu sein, ein Wissen<br />
über <strong>die</strong> verbotene Tat voraussetzte. Die »Gnade«, einen zum Feuertod Verurteilten<br />
heimlich zu erdrosseln, stand im Widerspruch zu der inszenierten Härte, dem<br />
scheinbar streng nach dem Gesetz vollzogenen Feuertod.<br />
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