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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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dann noch festhielten, wenn sich <strong>die</strong> Fragen eigentlich schon erübrigt hatten. Sie<br />

stellten suggestive Fragen und setzten gelegentlich <strong>die</strong> Drohung der Folter ein. Da<br />

artikulierte Verhörprotokolle, <strong>die</strong> sowohl Fragen als auch Antworten verzeichnen,<br />

erst seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts angefertigt wurden, konnte den<br />

Fragetechniken des 16. und frühen 17. Jahrhundert nicht nachgegangen werden.<br />

Doch auch bei den späteren Protokollen zeigte sich, dass es sich keineswegs um<br />

unmittelbare und »unverfälschte« Wiedergaben von Verhör(situation)en handelte.<br />

Die Sprache der InquisitInnen wurde vom Gerichtsschreiber überformt, als strafrechtlich<br />

irrelevant erachtete Informationen wurden nicht verschriftlicht. Trotz<br />

ihrer Protokollierung aus der Perspektive des Gerichts sind <strong>die</strong> überlieferten<br />

Gerichtsakten in Kombination mit den normativen Vorgaben für <strong>die</strong> jeweilige Zeit<br />

und Region wertvolle Quellen zur Erschließung der frühneuzeitlichen Malefizgerichtsbarkeit.<br />

Aus den Protokollen konnten auch Eindrücke über <strong>die</strong> angewandten<br />

Strategien der InquisitInnen und <strong>die</strong> Möglichkeiten der Einflussnahme durch<br />

ZeugInnen gewonnen werden. Während manche Inquisiten sich durch entschuldigende<br />

Aussagen, etwa dass es sich um ein Missverständnis handle, zu entlasten<br />

versuchten, gestanden andere alles, was ihnen von den Verhörenden in den Mund<br />

gelegt worden war. Die Aussagen von ZeugInnen spielten aufgrund der juristischen<br />

Tatsache, dass ein Geständnis allein nicht zur Verurteilung zur »ordinari<br />

straff« ausreichte, eine wichtige Rolle. Aus der Perspektive der fernab in Linz und<br />

Wien tätigen Rechtsgutachter waren sie oft entscheidend. So war letztlich <strong>die</strong> unter<br />

Eid bestätigte Zeuginnenaussage von Sophia Steinbergerin dafür verantwortlich,<br />

dass Georg Dörffl zum Tode verurteilt wurde. Dagegen verdankte Georg Doppelhammer<br />

seinen Freispruch der Aussagen seiner Frau Eva Doppelhammerin.<br />

Von den vielen ZeugInnenaussagen im Prozess gegen Isaak Löbl und Magdalena<br />

Gallin bestätigte keine <strong>die</strong> angeblichen sexuellen Übergriffe des jüdischen Hausierers;<br />

im Gegenteil, Isaak Löbl wurde nur Gutes nachgesagt. Von Magdalena Gallin<br />

hieß es dagegen, dass sie stehle, dem Alkohol zugeneigt und nicht »ganz gescheit«<br />

sei. Dennoch wurden Isaak Löbl und Magdalena Gallin zur selben Strafe verurteilt.<br />

Ob und wie <strong>die</strong> Rechtsgelehrten in ihren Gutachten und Berichten schließlich <strong>die</strong><br />

Aussagen der InquisitInnen und ZeugInnen für ihre Argumentation aufgriffen bzw.<br />

ignorierten, war von den jeweiligen Umständen des Verfahrens, aber auch vom<br />

Weltbild der Juristen abhängig: ob beispielsweise strafmildernde Umstände wie<br />

<strong>die</strong> Jugend und Naivität eines Inquisiten oder der bloße Versuch zur »sodomitischen<br />

<strong>Unkeusch</strong>heit« im Gutachten hervorgehoben oder ob manche Aussagen von<br />

den Juristen schlicht als unglaubwürdig abgetan wurden. Wie sehr <strong>die</strong> Juristen bei<br />

der Verfassung eines Gutachtens <strong>die</strong> Informationen aus den ihnen zugesandten<br />

Akten aufgriffen, war letztlich aber auch eine Frage des persönlichen Stils.<br />

Während es der eine vorzog, sein Parere eng an <strong>die</strong> Verhörprotokolle anzulehnen,<br />

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