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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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würde und biblische Katastrophen das Herrschaftsgebiet wegen der Nachlässigkeit<br />

seines obersten Gerichtsherrn heimsuchten. Mit dem Hinweis auf drohende<br />

Hungersnöte, Erdbeben und Seuchen beschworen <strong>die</strong> Juristen <strong>die</strong> Notwendigkeit<br />

einer strengen Verfolgung. Nichtverfolgte Sodomie bedrohte demnach <strong>die</strong><br />

Stabilität der landesfürstlichen Herrschaft.<br />

Auf der dem Landesfürsten untergeordneten Herrschaftsebene der Landgerichtsherrn<br />

und ihrer Verwalter war <strong>die</strong> Anschuldigung der Sodomie mitunter ein probates<br />

Mittel, einen unliebsamen Untertanen zu beseitigen. In den obderennsischen<br />

Herrschaften Wartenburg und Spital am Pyhrn trat der Sodomievorwurf auffällig<br />

oft im Zusammenhang mit Eigentumsdelikten auf – eine Kombination, <strong>die</strong> in den<br />

genannten Gebieten immer mit dem Tod geahndet wurde. Somit bedrohte <strong>die</strong><br />

Beschuldigung der Sodomie <strong>die</strong> betroffenen Untertanen in ihrer physischen<br />

Existenz.<br />

Auch aus der Sicht der »einfachen« ländlichen Bevölkerung war Sodomie, insbesondere<br />

<strong>die</strong> »Vermischung« eines Menschen mit einem Tier, etwas Bedrohliches.<br />

Aus Predigten, der Bibellektüre und den Katechismen, dem dörflichen<br />

Gerede und eigenen Erfahrungen mit der Strafjustiz (vgl. Fuchs/Schulze 2002) war<br />

den meisten Menschen wohl <strong>die</strong> Sündhaftigkeit und Strafbarkeit von sodomitischen<br />

Praktiken bekannt. »Sodom« stand für Verderben, für Katastrophen, <strong>die</strong><br />

durch menschliches Fehlverhalten herbeigeführt wurden. Darüber hinaus gefährdete<br />

<strong>die</strong> sodomitische Sünde das individuelle Seelenheil.<br />

Auch wenn das von den Androhungen kirchlicher und weltlicher Institutionen<br />

geprägte Unrechtsbewusstsein internalisiert war, blieb <strong>die</strong> Denunziationsbereitschaft<br />

insgesamt eher gering, wie das zögerliche Anzeigeverhalten mancher<br />

ZeugInnen und das vorläufige Verschweigen der beobachteten Tat belegen.<br />

Berichte der Inquisiten über informelle Bestrafungen verdeutlichen zugleich, dass<br />

beobachtete oder auf andere Weise bekannt gewordene sodomitische Praktiken<br />

nicht einfach geduldet wurden.<br />

Hatte sich <strong>die</strong> Geschichtsforschung zur Verfolgung von Sodomie im frühneuzeitlichen<br />

Europa bislang meist auf Städte und gleichgeschlechtlichen Praktiken zwischen<br />

sozial ungleichen Männern konzentriert, so richtete ich das Hauptaugenmerk<br />

meiner Untersuchung auf den ländlichen Raum und auf <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Bedeutungsgehalte der »<strong>wider</strong>natürlichen <strong>Unkeusch</strong>heit«. Die quantitative Kluft<br />

zwischen den vergleichsweise häufig untersuchten gleichgeschlechtlichen<br />

Beziehungen und Praktiken und der von HistorikerInnen eher selten thematisierten<br />

Bestialität lässt meines Erachtens aber nicht darauf schließen, dass gleichgeschlechtliche<br />

Beziehungen (vor allem jene zwischen Männern) stärker verfolgt<br />

worden wären als sexuelle Kontakte zwischen Menschen und Tieren. Ebenso<br />

wenig bedeutet <strong>die</strong>s, dass Bestialität seltener praktiziert worden wäre. Das unter-<br />

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