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Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur

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Verhaltensweisen von bestimmten Individuen, den ich untersuchen will. Mich interessiert,<br />

warum und in welchem Kontext Menschen der Sodomie beschuldigt wurden.<br />

Wichtige theoretische und methodische Anregungen dafür fand ich auch in<br />

mikrohistorischen Stu<strong>die</strong>n 29 , wenngleich meine Arbeit wegen des gewählten deliktorientierten<br />

Zugangs nicht als mikrohistorisch bezeichnet werden kann. Die<br />

Zusammensetzung des Quellenkorpus aus Archivalien verschiedener Herkunft und<br />

der deliktorientierte Zugang bedeuten eine Einschränkung der Erkenntnismöglichkeiten.<br />

Die Verortung einzelner Personen in einem Dorf, ihre Netzwerke<br />

und Allianzen können nicht so genau nachvollzogen werden, wie es in mikrohistorischen<br />

Arbeiten möglich ist. Der Blick auf <strong>die</strong> Tätigkeit eines lokalen Gerichts,<br />

auf <strong>die</strong> dort geführten Prozesse und Verurteilungen, auf dörfliche Konflikte etc.<br />

kann ebenfalls nicht unmittelbar durch Quellenstudium, sondern nur mittelbar<br />

durch <strong>die</strong> Rezeption lokal- und regionalhistorischer Arbeiten erfolgen, soweit <strong>die</strong>se<br />

überhaupt vorliegen. Die zeitliche und räumliche Streuung der Quellen bietet<br />

jedoch einen Vorteil: <strong>die</strong> Analyse der überlieferten Sodomieprozesse in den strukturell<br />

ähnlichen Gebieten Österreich ob und unter der Enns vermag unterschiedliche<br />

Verfolgungsinteressen und Wandlungen in der Gerichtspraxis sichtbar zu<br />

machen, <strong>die</strong> bei einer Konzentration auf ein kleineres Gebiet und einen kürzeren<br />

Zeitraum – allein schon wegen einer nur geringen Anzahl von Sodomieprozessen<br />

– kaum festzustellen wären. Auch <strong>die</strong> Kontexte der Verfolgung können sichtbar<br />

gemacht werden. Der Gang vor Gericht war – wie zahlreiche kriminalitätshistorische<br />

Arbeiten belegen – oft ein drastischer Schritt zur Entscheidung von langwierigen<br />

Konflikten, ein Schritt, der häufig nach physischen und/oder verbalen<br />

Eskalationen gesetzt wurde (Heidegger 1999:27-29; vgl. Eriksson/Krug-Richter<br />

2003). Im Vorfeld von Sodomieprozessen sind soziale, ökonomische und politische<br />

Konfliktkonstellationen zu vermuten, <strong>die</strong> zusammenhängend mit den<br />

Geschehnissen, <strong>die</strong> den Rahmen der Gerichtsverfahren bilden, als Kontexte der<br />

Verfolgung bezeichnet werden können. Durch das Querlesen von ZeugInnenaussagen<br />

und Verhören geraten beispielsweise (konflikthafte) Beziehungen zwischen<br />

Ehepaaren, zwischen Haushaltsangehörigen und zwischen NachbarInnen in<br />

den Blick. Ökonomische Faktoren wie Beruf, Besitz, Verschuldung usw. und rechtliche<br />

Aspekte wie <strong>die</strong> gerichtliche Organisation müssen in den Blick genommen<br />

und als konstitutive Elemente betrachtet werden. Ebenso gilt es <strong>die</strong> politischen<br />

Rahmenbedingungen der Makroebene (Reformation und Gegenreformation,<br />

Bauernaufstände, Veränderungen im Justiz- und Verwaltungsbereich) zu berücksichtigen.<br />

Nur selten legen <strong>die</strong> VerfasserInnen historischer Stu<strong>die</strong>n en detail offen, welcher<br />

Art und Beschaffenheit <strong>die</strong> Quellen sind, aus denen sie ihre Erkenntnisse ziehen.<br />

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