Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
Susanne Hehenberger / Unkeusch wider die Natur
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»dem Scharf=Richter jedoch in geheim mitzugeben seye, daß er den Inquisiten an einem<br />
in dem Scheitter=Hauffen aufrichtenden Pfahl um den Hals anbinden, und indeme des<br />
Scharf=Richters Knecht ihme Inquisiten den Pulver=Sack angeleget, er Scharf=Richter<br />
denselben zu gleicher Zeit Mittels des durch den Pfahl gehenden Strangs, und angelegten<br />
Knebels erwürgen, und wehrend <strong>die</strong>sem den Scheitter=hauffen angezündet, mithin dessen<br />
Cörper samt dem zugleich auf dem Scheitter=Hauffen schleppenden Vieh zu Staub<br />
und Asche verbrennet, <strong>die</strong>se aber in <strong>die</strong> Luft oder in ein fliessendes Wasser nach<br />
Gelegenheit des Orts zerstreuet werden solle« (zitiert nach: Bratsch 1751:196f).<br />
Dem Hinrichtungspublikum sollte mit <strong>die</strong>ser Inszenierung verheimlicht werden,<br />
dass der »arme Sünder« noch vor dem Anzünden des Scheiterhaufens starb. Noch<br />
ausgefeilter waren <strong>die</strong> Anweisungen zur heimlichen Erdrosselung eines wegen<br />
Sodomie mit einer Stute Verurteilten im Oktober 1720: <strong>die</strong> kaiserliche Resolution<br />
lautete, das Todesurteil sei<br />
»folgender Gestalten zu vollziehen: daß bey besagtem Land=Gericht nach dem hiebei<br />
kommenden Model eine Machine verfertiget, nemlich bey der alldasig=gewöhnlichen<br />
Richtstatt ein Stock vest in <strong>die</strong> Erden eingemacht, auf <strong>die</strong>sem ein Gabel in einem Werfel,<br />
daß solche recht und lincker Seite sich wenden, und drähen lasset, eingerichtet, an <strong>die</strong><br />
Gabel aber ein starcke Stange wol verwahrter eingemacht, oben an <strong>die</strong> Stangen wiederholter<br />
Mathias N. mit zweyen Ketten auf einem eisernen Rost angeschlossen, in wehrenden<br />
Anschliessen aber derselbe von dem Freymann mit einem Strick erdrosselt, welches<br />
mit Beyhilf des Freymanns Knechten in wehrenden Zusprechen des Beicht=Vatters, und<br />
Bedeckung des armen Sünders mit seinem Mantel solcher gestalten in geheim bewürcket,<br />
daß es von dem umstehenden Volck nicht vermercket, zu <strong>die</strong>sem Ende auch der<br />
Pulver=sack dem armen Sünder über den Mund, und Angesicht bis auf <strong>die</strong> Brust wol verwahret<br />
angebunden, sodann selber mit der Stangen aufgehoben, und in <strong>die</strong> Mitte des hell<br />
aufbrennden Scheitter=Hauffen gelassen, folgsam neben dem Pferd, mit welchem<br />
Mathias N. <strong>die</strong> unnatürliche That vollbracht, durch das Feuer von der Erden vertilget, <strong>die</strong><br />
Aschen anbey in <strong>die</strong> Luft, oder nach Gelegenheit des Orts in ein fliessendes Wasser zerstreuet,<br />
<strong>die</strong>se Executio aber zu mehrerer Sicherheit von dem allhiesigen Scharf=Richter<br />
vorgenommen werde solle« (zitiert nach: Bratsch 1751:197)<br />
Diese detaillierte Beschreibung der Publikumstäuschung verweist – wie auch <strong>die</strong><br />
zuvor angeführte Resolution – einerseits auf <strong>die</strong> abschreckende Wirkung, <strong>die</strong> Karl<br />
VI. und seine Berater mit dem scheinbar strengen Vollzug des Gesetzes erzielen<br />
wollten. Andererseits spiegelt sich darin auch der Konflikt zwischen der Abscheu<br />
vor der »<strong>wider</strong>natürlichen Sünde« bzw. der von Gott auferlegten Pflicht, sie zu<br />
bekämpfen, und dem Mitleid mit dem zum Tode Verurteilten. Dieser Konflikt lässt<br />
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